Österreich nach den Landtagswahlen:Wettrennen auf der rechten Spur

FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache

"Der Einzige" ist nicht mehr allein: Die SPÖ will im Burgenland mit der FPÖ von Parteichef Strache koalieren.

(Foto: REUTERS)

Eine Koalition mit der ausländerfeindlichen FPÖ war für die Sozialdemokraten undenkbar - bis jetzt. Dieser Tabubruch wird die SPÖ teuer zu stehen kommen. Was in Österreich passiert, ist ekelhaft.

Kommentar von Cathrin Kahlweit

Desaströse Landtagswahl für die SPÖ

Es ist ein Tabubruch, und noch ist nicht klar, ob er aus Dummheit und Verzweiflung - oder aus Kalkül geschieht. In jedem Fall wird er Österreichs Parteienlandschaft umkrempeln wie kein zweiter, seit ÖVP-Kanzler Wolfgang Schüssel im Jahr 2000 mit der rechtspopulistischen FPÖ von Jörg Haider koalierte: Die Sozialdemokraten im Burgenland planen nach der für sie desaströsen Landtagswahl vom vergangenen Sonntag, eine Koalition mit den Freiheitlichen auf Landesebene einzugehen.

Noch ist nichts fix, noch wird verhandelt, noch laufen Jugendorganisationen und Landesverbände der SPÖ gegen die Ankündigung von Landeshauptmann Hans Niessl Sturm, aber: Der Geist ist aus der Flasche, die Bundespartei unter Kanzler Werner Faymann ist maximal desavouiert, der Beschluss des Bundesparteitages, dass die Sozialdemokraten keinesfalls und auf keiner politischen Ebene eine Koalition mit der FPÖ eingehen werden, ist Makulatur.

Entscheidung, die auf Machterhalt ausgerichtet ist

Was jetzt folgen wird, ist der Niedergang der SPÖ, und man wird dabei zuschauen können. Eine Koalition mit den Rechtsauslegern von der FPÖ, deren Agenda im Wesentlichen darin besteht, "gute" und "schlechte" Ausländer zu unterscheiden und Ausländerkriminalität als eigenen Straftatbestand zu beschreiben, ist der einstmals stolzen SPÖ nicht würdig. Niessl argumentiert, er wolle mit diesem Schritt die FPÖ "entzaubern", aber das ist eine schlappe Ausrede für eine Entscheidung, die vor allem auf Machterhalt ausgerichtet ist und damit kalkuliert, durch eine Partnerschaft mit den Populisten vom xenophoben Image der Rechten politisch zu profitieren, ohne sich deren Parolen formal selbst zu eigen machen zu müssen.

Man kann es nicht anders sagen: Was seit den Landtagswahlen in der Steiermark und im Burgendland in Österreich passiert, ist ekelhaft. Anstatt sich gemeinsam von den erstarkten Rechtspopulisten abzuwenden, die in der Steiermark ihren Stimmanteil auf 27 Prozent verdreifachen und im Burgenland auf 15 Prozent verdoppeln konnten, wird nun auf allen Ebenen versucht, die FPÖ in ihrem Kernanliegen rechts zu überholen. Denn auch die konservative ÖVP hatte der FPÖ Avancen gemacht.

Innenministerium kündigt Ausweisungen an

Am Mittwoch hat das ÖVP-geführte Innenministerium unter Johanna Mikl-Leitner angekündigt, man werde demnächst mit der Rückführung tausender Flüchtlinge über die Grenzen beginnen, vornehmlich nach Ungarn und Bulgarien. Österreich sei "massiv mit sogenannten Dublin-Fällen belastet", sagte Mikl-Leitner. Daher würden ab sofort prioritär 'Dublin-Fälle' "behandelt". Gemeint sind Flüchtlinge, die anderswo in die EU eingereist sind und dort ihren ersten Asylantrag gestellt haben. Etwa ein Viertel aller Flüchtlinge, die sich derzeit in Österreich aufhalten, könnte die Ausweisung betreffen.

Rechtlich mag die Innenministerin im Recht sein, aber eine solche Maßnahme, die an Symbolkraft kaum zu überbieten wäre, an jenem Tag anzukündigen, an dem sich im Burgenland eine rot-blaue Koalition andeutet, hat einen besonderen Hautgout. Man stelle sich die Bilder vor, die bald schon Realität werden könnten: Während tausende Menschen mit ihrem wenigen Hab und Gut in Bussen über die Grenze nach Ungarn gekarrt werden, was asylpolitisch einen katastrophalen Ruf hat und Flüchtlinge regelmäßig bis zu sechs Monate in Abschiebegefängnisse einsperrt, schwenken Sozialdemokraten und Freiheitliche gemeinsam zum Abschied die fremdenfeindlichen Plakate der FPÖ aus dem letzten Wahlkampf?

Der Wahlkampf in Wien droht fürchterlich zu werden

Im Oktober wird in Wien gewählt, dort stellt sich Langzeit-Bürgermeister Michael Häupl ein letztes Mal zur Wahl. In Wien sitzt aber auch die Bundesregierung, die von einem Kanzler geführt wird, an dessen Stuhl seit Monaten schon alle möglichen Gegner sägen.

Der Wahlkampf in der Hauptstadt dürfte, solle sich Niessl in Eisenstadt durchsetzen, ein fürchterlicher werden: Alle niederen Instinkte wären freigesetzt, wenn es denkbar ist, dass die größte Regierungspartei sich Menschen an den Tisch holt, deren Sympathisanten von rechtsradikalen Studentenverbindungen bis in neonazistische Kreise reicht und deren Parteichef im letzten Bundestagswahlkampf den Großteil aller Asylbewerber als Asylbetrüger hinstellte, Nicht-Österreicher vorwiegend im Zusammenhang mit kriminellen Handlungen erwähnte, eine Halbierung der EU-Beiträge forderte, den Ausstieg aus dem Euro-Rettungsschirm und eine Debatte über die Rückkehr zum Schilling.

Wenn die Koalitionsverhandlungen im Burgenland letztlich gegen den Willen des Kanzlers laufen (der öffentlich zähneknirschend zugestimmt hatte), dann müsste Werner Faymann eigentlich zurücktreten. Wenn nicht, wenn mit stiller Zustimmung aus Wien ein Versuchsballon gestartet wird, ob ein Rechtsruck die Wählerabwanderung stoppen kann, dann wird die Partei daran zerbrechen. Das wäre dann der vorerst größte Triumph der FPÖ.

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