G-7-Proteste:Wenn Antikapitalisten wandern gehen

Stermarsch nach Elmau Ca 400 Gipfelgenger machen sich von Garmisch in einem Sternmarsch auf den Weg

Etwa 400 G-7-Gegner sind heute nach Elmau gewandert (im Hintergrund: die Alpspitze). Sie kamen allerdings nur bis zu einem Bauzaun.

(Foto: imago/Christian Mang)

Sie radeln, sie steigen auf Berge: Beim G-7-Gipfel versuchen sich die Demonstranten an einer neuen Taktik. Doch Tausende Polizisten zu beschäftigen, das ist gar nicht so einfach.

Von Thierry Backes, Sebastian Gierke und Matthias Kolb

Um sieben Uhr sollte es losgehen. Um acht stehen immer noch alle am Hauptbahnhof von Garmisch. Man muss sich noch sortieren. Wer mit wem wohin? Hat jeder genug Proviant dabei? Das richtige Schuhwerk? Und genug Kondition? Ach ja, wichtig: Der Abstieg vom Wamberg geht ganz schön auf die Knie. 400 Gipfelgegner haben sich am Bahnhof versammelt, zum sogenannten Sternmarsch nach Elmau. Im Jahr 2007, in Heiligendamm, beteiligten sich noch mehrere Tausend - damals teilten sich die Demonstranten auf, es war die bekannte Fünf-Finger-Taktik. Heute, in Elmau, reicht es nur für zwei Finger.

Also wandern zwei Gruppen, dazu kommt ein Fahrradkorso. Nach der Großdemo am Samstag wollen die Gipfelgegner mit der Polizei Katz und Maus spielen und teilen sich in kleinere Gruppen auf. So sollen die Ordnungshüter beschäftigt werden. Geplant sind auch Blockaden und eine Demonstration durch Garmisch-Partenkirchen. Am Ende des Tages ist klar: Tausende Polizisten zu beschäftigen, das ist gar nicht so einfach.

Wandern

Bevor es in die Berge geht, muss der Protestzug durch's Wohngebiet. Die Demonstranten verdammen laut die G 7, den Faschismus, den Rassismus und alles Übel der Welt. Als einige "A.. Anti.. Anticapitalista" skandieren, ruft eine Frau freundlich vom Balkon herunter: "Ihr müsst schon auf Deutsch rufen." Als es in die Berge geht, wird die Trennung zwischen Aktivisten, Journalisten und Polizisten immer lockerer. Während auf den grünen Wiesen die Kuhglocken bimmeln, erklären die G-7-Gegner ihre Position und bestaunen "die voll schöne Natur".

Im Sonnenlicht glänzt die Alpspitze. Bergstiefel haben nur wenige Demonstranten an, und so schwitzen alle gemeinsam, je länger der Marsch geht - und die Themen werden alltäglicher. Ein Polizist verrät Journalisten seine Lieblingsplätze in der Gegend ("Da hinten ist es total ruhig, wir nennen die Wiese die Schnacksel-Alm"). Zwei Aktivisten reden über iPhone-Modelle und Handyverträge. Irgendwann dreht sich einer schimpfend um und sagt: "Mann, das hier ist eine Antikapitalismus-Demo und wir reden über Apple!" Die Bergbäche werden genutzt, um Wasserflaschen aufzufüllen - und um sich die Füße zu waschen.

Stoppen

Für die G-7-Gegner fühlt es sich an wie ein Demütigung. Da sind sie stundenlang gewandert durch die Partnachklamm, hoch nach Graseck, über die Bergwiesen, und dann endet alles an einem einfachen Bauzaun. Na gut, und an den Polizisten, die ihn bewachen. Die Demonstranten sehen Schloss Elmau nicht, wohl aber die Helikopter der Bundespolizei, die die Staatschefs irgendwo hinter den Fichten absetzen. Der Zaun, der den äußeren Sicherheitsring der Polizei markiert, steht an der Stelle vielleicht 300, 400 Meter vom Landeplatz entfernt, den die Staatsmänner zur gleichen Stunde anfliegen. Die Demonstranten setzen sich vor den Zaun und den Polizisten in die Sonne und rufen "This is what democracy looks like!" Es ist ein trauriges Bild.

Sitzen

Im sogenannten Blockadekonzept des "Stop G 7 Elmau"-Bündnisses steht: "Wir stellen uns darauf ein, unsere Blockaden solange wir möglich zu halten." Für 24 Stunden solle man sich vorbereiten, für ausreichend Sitzgelegenheiten, Essen, Trinken und Medikamente sorgen. Von den 24 Stunden allerdings waren die Blockierer weit entfernt. Meist ist die Blockade nach wenigen Minuten beendet. Das Ziel der Blockaden ist, wie bereits am Samstag im Rahmen der Demonstration, die Bundesstraße 2, wichtige Verbindung zwischen Garmisch-Partenkirchen und Mittenwald. Schon in der Nacht von Samstag auf Sonntag sind deshalb 20 Aktivisten in Richtung B2 losgezogen, im Schutz der Dunkelheit. Um kurz nach neun Uhr setzen sie sich dann eng zusammengedrängt im Ortsteil Höfle auf die Straße. Die Polizei ist schnell vor Ort, nach einer knappen Stunde ist die Blockade beendet.

Etwa 150 Menschen ziehen um 7.30 Uhr aus dem Camp der Gipfelgegner los. Sie wollen über die Wiesen hinter dem Zeltlager auf die Bundesstraße, werden jedoch von der Polizei gestoppt. Zwei Mal noch gelingt es kleinen Gruppen, auf die B2 zu kommen. 60 Gipfelgegner versuchen außerdem, eine Bahnstrecke bei Oberau zu besetzen; die Polizei verhindert die Gleisblockade.

Was von den Blockaden bleibt? Ein Helikopterflug für ein paar Dutzend Journalisten. Sie sollten eigentlich mit dem Bus zum Schloss fahren, werden dann aber zum Schloss geflogen. Es ist der einzige kleine Blockadeerfolg der Gipfelgegner. Die Journalisten waren ihnen nicht sonderlich böse.

Radeln

Das Gelände ist der Feind des Radfahrers, auch im Werdenfelser Land. Ab dem Ortsausgang von Garmisch-Partenkirchen steigt die Bundesstraße 2 merklich an, das lässt den ohnehin nicht sehr schnellen Demonstrationszug der Radfahrer ins zwölf Kilometer entfernte Klais noch einmal langsamer werden. 50 G-7-Gegner ächzen den Berg in der prallen Morgensonne hinauf, einige auf Mountainbikes, das geht ja noch. Eine Dame aber hat sich auf ihr schweres Holland-Rad geschwungen, das geht dann nicht mehr. Nach einer halben Stunde gibt sie auf - aber der Wille, der war da.

Trinken

Die Helden dieses Sonntags sind die vielen Mitarbeiter der Bergwacht: Sie sind den ganzen Tag mit Geländewagen unterwegs und versorgen die Demonstranten und die Journalisten mit Wasser und Müsliriegeln. Die leeren Plastikflaschen nehmen sie auch gleich wieder mit. Als am Nachmittag alle zurück ins Tal strömen, wird ein Jeep der Bergwacht mit lautem Klatschen verabschiedet. "Der Applaus war nicht für euch", ruft ein junger Aktivist - und meint die Polizisten, die daneben stehen.

Der Polizeizug, der die Wandergruppe über den Wamberg begleitet, kommt aus Sachsen-Anhalt und ist ziemlich entspannt. Einzelne Beamte schmunzeln über die Aktivisten-Sprüche, der Einsatzleiter akzeptiert sogar die basisdemokratischen Regeln der Demonstranten. Einem bayerischen Kollegen ruft er zu: "Die beraten sich an jeder Ecke, das dauert eine Weile und dann geht es weiter. Alles kein Problem." Auch entlang der Demo in Garmisch bleibt die Polizei gelassen - und via Twitter wünschen sie sich sogar noch mehr Action.

Demonstrieren

Trotz vieler Widrigkeiten ist die Stimmung im Camp der Gipfelgegner gut. Das liegt auch an der Polizei. Denn die Polizisten, die den Blockadeversuch der 150-Menschen großen Gruppe beendete haben, die seien eine "gechillte" Truppe gewesen. "Kuschelbullen." Es waren Polizisten aus Schleswig-Holstein. "Je weiter nördlich, desto cooler sind die", erzählt man sich im Camp. Mit anderen Einheiten habe man da deutlich schlechtere Erfahrungen gemacht: "NRW, das ist die Hölle."

Bei der anschließenden Demonstration sieht man dann allerdings viele erschöpfte, fast resignierte Gesichter. Die Polizei hat mit ihrer massiven Präsenz vielen G-7-Kritikerin die Lust am Protest genommen. Viele finden das unverhältnismäßig, tatsächlich sind schon am Samstag nach dem Gewitter einige abgereist und auch am Sonntag bauen viele ihr Zelt ab und machen sich auf Richtung Bahnhof. Ein paar Hundert Demonstranten ziehen ab 12 Uhr durch Garmisch. Weit weniger als noch am Samstag. Um sie herum zwei Polizeiketten, die Aktivisten nennen das den "wandernden Polizeikessel". Keine Vorkommnisse.

"Servus Garmisch" schallt es nach vier Stunden vom Lautsprecherwagen, als die Demo wieder am Camp ankommt. "Wir hoffen, ein paar haben verstanden, warum wir protestieren."

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