Rüstung:Bundeswehr setzt auf Flugabwehrsystem "Meads"

Luftabwehrsystem Meads

Das Flugabwehrsystem Meads, hier bei einer Demonstration 2011, soll das Patriot-System ersetzen.

(Foto: dpa)
  • Die Bundeswehr hat sich für einen Nachfolger für das Flugabwehrraktensystem Patriot entschieden.
  • Für das System Meads von der Firma MBDA Deutschland und dem US-Rüstungshersteller Lockheed Martin werden mehrere Milliarden Euro fällig.
  • Nach Angaben aus Ministeriumskreisen sprach für Meads unter anderem, dass es in einem 360-Grad-Radius Ziele erfassen und bekämpfen können soll.

Von Christoph Hickmann, Berlin

In ihren eineinhalb Jahren im Amt hat Ursula von der Leyen es stets mit Altlasten zu tun gehabt - zumindest wenn es um Rüstungsprojekte ging. Das war nervenaufreibend, aber insoweit angenehm, als die CDU-Verteidigungsministerin stets mit Recht darauf verweisen konnte, dass die entscheidenden Fehler in der Vergangenheit gemacht worden waren. Das wird nun anders sein: Es gibt jetzt ein Projekt, das mit ihr verbunden ist - und an dem sich zeigen wird, ob sie ihre Ankündigung umsetzen kann, das Rüstungswesen neu zu ordnen und vom Kopf auf die Füße zu stellen.

Vor Wochen bereits ist im Ministerium die Entscheidung über eines der größten und teuersten Rüstungsvorhaben des nächsten Jahrzehnts gefallen: Der Nachfolger für das Flugabwehrraketen-System Patriot soll von der Firma MBDA kommen, die das mit dem US-Rüstungskonzern Lockheed Martin entwickelte System Meads zur Serienreife bringen soll. Es werden nun Vertragsverhandlungen mit einem Konsortium um die MBDA Deutschland beginnen.

Das System Meads hat eine lange Geschichte

Das Nachsehen hat damit vorerst der Patriot-Hersteller Raytheon, der mit einer modernisierten Variante seines Systems im Rennen war. Die Entscheidung zum Taktischen Luftverteidigungssystem, kurz TLVS, gilt als eine der wichtigsten rüstungspolitischen Weichenstellungen der Legislaturperiode. Für den Auftrag werden noch etwa vier Milliarden Euro fällig.

Die Süddeutsche Zeitung hatte Mitte Mai darüber berichtet, damals hatte das Ministerium kommentiert, die Entscheidung werde "wie bereits angekündigt bis Ende des zweiten Quartals" fallen. Da war Raytheon aber faktisch bereits aus dem Rennen. Mit der Unterschrift von Bundeswehr-Generalinspekteur Volker Wieker soll das Ganze nun nach Angaben aus Ministeriumskreisen auch offiziell werden.

Das System Meads (Medium Extended Air Defense System) hat eine lange Geschichte. An der Entwicklung waren die USA, Deutschland und Italien beteiligt, der Bundestag brachte die deutsche Beteiligung vor einem Jahrzehnt auf den Weg. Die USA entschieden später jedoch, das System nicht beschaffen zu wollen. Auch die Bundeswehr, so teilte es das Ministerium 2011 mit, werde Meads in absehbarer Zeit nicht beschaffen.

Deutschland hat in das System bereits gut eine Milliarde Euro investiert. Wegen des industriepolitischen Hintergrunds gab es seit einiger Zeit starken Druck auf von der Leyen und ihre Rüstungs-Staatssekretärin Katrin Suder, die Ergebnisse aus dem Meads-Projekt zu nutzen und zur Basis einer sogenannten Entwicklungslösung zu machen.

Was für Meads sprach

Suder aber nahm sich Zeit - dabei hat man davon gar nicht mehr übermäßig viel. Zwar ist das Ende der sogenannten Nutzungsdauer des Patriot-Systems auf das Jahr 2025 taxiert - aber es dürfte auch noch etwa zehn Jahre dauern, bis das neue System zur Verfügung steht, das ja auf der Basis von Meads erst noch fertig entwickelt werden muss. Von der Leyens Leute wollten offenbar sichergehen, dass sie kein Detail übersahen.

Nach Angaben aus Ministeriumskreisen sprach für Meads unter anderem, dass es in einem 360-Grad-Radius Ziele erfassen und bekämpfen können soll. Auch bei den sogenannten Lebenszyklus-Kosten, den auf 30 Jahre gerechneten Gesamtkosten, soll es einen Vorteil für die Meads-basierte Lösung gegeben haben, die mit weniger Leuten und Geräten betrieben werden kann: Während die Experten hier auf etwa zehn Milliarden Euro kamen, waren es bei Patriot etwa 13 Milliarden Euro.

Ein weiteres Rüstungsdesaster soll vermieden werden

Trotzdem - Risiken werden bei solchen Entwicklungsvorhaben stets bleiben. Von der Leyens Mannschaft hat sich vorgenommen, sie mit einer Art konditionierter Entscheidung zu minimieren. So soll es sogenannte Meilensteine geben - Punkte also, an denen noch in einem möglichst frühen Stadium ein Ausstieg möglich ist, wenn Zwischenziele nicht erreicht werden. Das erste wesentliche Ziel etwa, so heißt es in Ministeriumskreisen, sei die Entwicklung eines "Exciter"-Geräts, einer Art Steuerungsbox für das Radar.

Mehrere weitere Vorkehrungen sollen zudem sicherstellen, dass es kein weiteres Rüstungsdesaster gibt: So soll der US-Rüstungskonzern Lockheed Martin so eng wie möglich eingebunden werden, um mögliche Schwachstellen der MBDA Deutschland auffangen zu können, die nach eigenen Angaben etwa 1300 Mitarbeiter beschäftigt. Außerdem sollen Juristen und Techniker aus dem Behördenapparat des Ministeriums ein eigenes Steuerungsteam für das Projekt bilden.

Anders als häufig bei großen Rüstungsprojekten gibt es hier einen echten Wettbewerb zwischen zwei Anbietern. Im Ministerium hofft man daher darauf, dass der Patriot-Hersteller Raytheon in Lauerstellung bleibt - man also womöglich doch noch umschwenken könnte, falls die MBDA das Projekt nicht gestemmt bekommt. Zumindest bis der Vertrag unterschrieben ist, dürfte Raytheon die Sache tatsächlich nicht endgültig abschreiben. Und das soll erst in der zweiten Hälfte des Jahres 2016 geschehen.

Der CSU-Verteidigungsexperte Florian Hahn lobt: "Das konditionierte Vorgehen stellt sicher, dass die Entwicklung auch wirklich funktioniert." Meads garantiere zudem "sicherheitspolitische Souveränität".

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