Unternehmer Oliver Samwer:"Dieses Burn-out-Ding, das ist nichts für mich"

Gründerkonferenz NOAH - Oliver Samwer

Seltener öffentlicher Auftritt von Oliver Samwer bei der Gründerkonferenz Noah.

(Foto: dpa)

Oliver Samwer hat sich mal den aggressivsten Mann im Internet genannt. Nun, da er seine Start-up-Schmiede Rocket Internet an die Börse gebracht hat, gibt er sich zahmer - und verrät sogar, mit welchem Investment er mal richtig danebenlag.

Von Varinia Bernau

So ein Tag bei Ikea zum Beispiel, das ist auch für einen wie Oliver Samwer schrecklich. "Sie fahren fünf Kilometer hin, nur um diese Köttbullar zu essen, dann kommen Sie völlig fertig nach Hause - und das war dann der Samstag!"

Nun muss man wissen: Der Mann, der das sagt, ist nicht nur ein genervter Familienvater. Er ist auch einer der wichtigsten Internetunternehmer Deutschlands. Seine Firma Rocket Internet hat viel Geld in Start-ups gesteckt, die Shoppingerlebnisse eher anders inszenieren. Als eine Art Spaziergang, den man bei Möbelhäusern im Netz wie Westwing macht: Newsletter statt Köttbullar, Lieferung nach Hause statt Stau im Parkhaus. Westwing ist eine der aussichtsreichsten Start-ups im Reich von Rocket Internet.

Das Berliner Unternehmen produziert Firmen am Fließband. Es gibt Gründern Geld, Büroräume, Erfahrungen und gute Kontakte, um die Ideen schnell umzusetzen und in verschiedene Länder zu bringen. Im Gegenzug erhält Rocket Internet Anteile an den aufstrebenden Firmen. Im vergangenen Herbst hat Oliver Samwer seine Start-up-Schmiede an die Börse gebracht. Seitdem ist die Aufmerksamkeit noch etwas größer. Nun achten die Leute darauf, dass er nicht nur das große Geschäft verspricht - sondern auch konkrete Beweise dafür liefert.

Oliver Samwer ist einer der umstrittensten Figuren in der deutschen Gründerszene. Er hat sich selbst einmal als den aggressivsten Mann im Internet bezeichnet. Das war allerdings, bevor er an der Spitze eines börsennotierten Unternehmens stand. Seither gibt er sich diplomatischer. Auch jetzt, da er auf der Noah Conference im Berliner Tempodrom ein paar Fragen beantworten soll.

Ab und an ein bisschen Humor

Ab und an zeigt er dann aber doch Humor - und zwar einen der trockenen Art. Ab und an mimt er eben den ganz normalen Menschen - und nicht nur den Manager. Und dann verrät er sogar, wann er, dem sie ein so gutes Gespür im digitalen Business nachsagen, mal so richtig daneben gelegen hat. Aus dem Publikum hat ihn gerade jemand darum gebeten, wenigsten drei Unternehmen aufzuzählen, bei denen er einen Einstieg zum richtigen Zeitpunkt verpasst hat: Bei Facebook. Ausgerechnet! "Ich bin eingestiegen, als der Wert bei 15 Milliarden lag. Und ausgestiegen bei 15, 5 Milliarden, weil ich plötzlich Angst bekam", räumt Samwer freimütig ein. Viel mehr Fehler fallen ihm dann aber nicht ein. "Ich bin ziemlich darauf fokussiert, was als nächstes kommt. Ich habe keine Zeit, über die Vergangenheit zu jammern."

Vor 20 Jahren, da war er selbst gerade mal Mitte 20, gründete Oliver Samwer gemeinsam mit seinen beiden Brüdern das Internetauktionshaus Alando - nach dem Vorbild von Ebay. Bereits ein halbes Jahr später verkauften sie die Kopie ans Original, für viele Millionen. Zu groß war die Sorge jenseits des Ozeans, dass da in Deutschland ein gefährlicher Rivale heranwachsen könnte.

Die drei Brüder Marc, Oliver und Alexander hatten damit das Startkapital für ihre eigene Erfolgsgeschichte. Und sie hatten auch eine wichtige Erkenntnis gewonnen: Es lohnt sich nachzubauen, was sich anderswo bereits bewährt hat. Auch Rocket Internet macht letztlich nichts anderes.

Darauf reduziert, dass er nur andere Firmen kopiert

Doch Samwer mag das Etikett, das ihm angehängt wurde, nicht. Er mag es nicht, darauf reduziert zu werden, dass er andere Firmen nur kopiert. "Die Leute vergessen, wie viel Arbeit es bedeutet, eine erfolgreiche Firma aufzubauen", sagt er. Und auch als Investor versteht er sich selbst nicht. "Ich bin ein Bäcker", lässt er es von der Bühne in den Saal plumpsen. Schweigen. Dann lachen wenigstens ein paar Leute. "Ja, ein Bäcker", sagt er dann noch einmal. Er mache sich jeden Tag daran, einen guten Kuchen zu backen. "Ich habe dabei drei Zutaten: Ideen, Leute und Geld. Und an irgendwas mangelt es immer."

Dies ist schließlich Deutschland - und nicht das Silicon Valley. Das Land, in dem Investoren lange Zeit einen großen Bogen um alles gemacht haben, was mit dem Internet zu tun hat. Wo ein Bruch im Lebenslauf nicht als Pluspunkt, sondern Scheitern als ewiger Makel gilt. Und wo es bislang kaum Erfolgsgeschichten aus der digitalen Wirtschaftswelt gibt.

Vermutlich passt Oliver Samwer ganz gut in dieses Deutschland. Er ist kein Visionär, sondern BWLer. Er ist kein Nerd, aber er lässt sich auch nicht wie ein Rockstar feiern. Nach dem Börsengang von Rocket Internet im vergangenen Herbst, erzählt er, gab es keine fette Party. Nur Hotdogs und ein paar Burger für die Mitarbeiter. "Die meisten unserer Start-ups schreiben schließlich Verluste", sagt er - und grinst. Wenn er seinen Computer aufklappe, dann sehe er nur Probleme - und keine Herausforderungen.

Und dann mache er sich eben an die Arbeit. "Dieses Burn-out-Ding, das ist nichts für mich", sagt er - und wieder lachen die Leute im Saal. Das ist der Oliver Samwer, den sie kennen. Ständig unter Strom. "An 98 Prozent meiner Tage habe ich großen Spaß", sagt er dann, fast entschuldigend. "Die anderen zwei Prozent sind die bei Ikea."

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