Griechenland und die EU:Enttäuschte Unterhändler verlassen Brüssel

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Schuldenkrise in Griechenland: Premier Alexis Tsipras in Brüssel. Aufnahme von März 2015 (Foto: dpa)
  • In Brüssel sprechen Griechenlands Premier Tsipras und EU-Kommissionspräsident Juncker erneut über die Schuldenkrise. Die Beratungen bringen kein Ergebnis.
  • Eine Delegation des IWF reist zurück in die USA. Die Rede ist von noch immer "großen Differenzen".
  • Ein Urteil des obersten griechischen Verwaltungsgerichts erklärt Rentenkürzungen für gesetzeswidrig. Dies könnte die Finanznot der Regierung weiter verschärfen.

Analyse von Alexander Mühlauer, Brüssel, und Christiane Schlötzer

Es gibt nicht viele Gewissheiten in diesem griechischen Schuldendrama. Nur eines ist sicher: Viel Zeit bleibt nicht mehr. Und so verhandelten am Donnerstag erneut Alexis Tsipras und Jean-Claude Juncker in Brüssel. "Die Menschen werden langsam ungeduldig", sagte der EU-Kommissionspräsident vor dem Treffen mit dem griechischen Regierungschef. Auch er teile diese Ungeduld, so Juncker. "Die Kuh muss vom Eis, aber sie rutscht dauernd aus." Nach dem zweistündigen Austausch sagte Tsipras, man werde versuchen, "Differenzen zu überbrücken". Ein EU-Diplomat sagte, Juncker habe einen letzten Versuch gemacht, um eine Einigung zu ermöglichen. Immerhin: Die Gespräche würden fortgesetzt, so Tsipras.

Der Internationale Währungsfonds (IWF) sieht bei den Verhandlungen mit Griechenland zur Lösung des Schuldenstreits noch große Meinungsverschiedenheiten. "Es gibt bei den meisten wichtigen Punkten große Differenzen zwischen uns", sagte ein IWF-Sprecher am Donnerstag in Washington. Diese seien zuletzt nicht überbrückt worden. "Und deshalb sind wir von einer Einigung noch weit entfernt." Ein IWF-Team sei aus Brüssel abgereist, wo man mit einer Delegation aus Griechenland gesprochen habe.

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"Wir sind von einer Einigung noch weit entfernt"

Überschattet wurde das Treffen zwischen Juncker und Tsipras von einer Nachricht aus Athen. Ein Urteil des obersten griechischen Verwaltungsgerichts hat den Finanzbedarf des Landes weiter erhöht. Demnach seien 2012 erfolgte Kürzungen der Renten im Privatsektor und bei staatlichen Unternehmen rechtswidrig gewesen, da sie den Betroffenen das Recht auf ein würdiges Leben vorenthalten hätten. Rückwirkend gilt die Entscheidung nur für die 15 Kläger, künftig aber für etwa 800 000 Versicherte. Dies wird den Staat nach ersten Schätzungen zwischen einer und 1,5 Milliarden Euro kosten. Die Entscheidung fiel mit 14 zu elf Stimmen, die Regierung will die schriftliche Begründung abwarten, bevor sie reagiert.

Problematisch ist auch, dass die Richter ein Verbot von Staatszuschüssen für die Rentenkassen ablehnten. Dieses Verbot, die sogenannte Null-Defizit-Klausel, versuchen jedoch die Kreditgeber Athens durchzusetzen. Das griechische Rentensystem ist, das gibt auch die Tsipras-Regierung zu, dringend reformbedürftig. Syriza scheut aber weitere Rentenkürzungen, die zwingend nötig wären, wenn Staatszuschüsse wegfallen. Massenhafte Frühpensionierungen, die hohe Arbeitslosigkeit und der erste Schuldenschnitt für die privaten Gläubiger (die Versicherungen besaßen viele Staatspapiere) haben Milliardenlöcher in die Rentenkassen gerissen. Seit 2010 wurden die Hauptrenten um gut 40 Prozent gekürzt. In Einzelbereichen gibt es immer noch vergleichsweise hohe Beamtenpensionen (für die das Urteil nicht gilt). Etwa 45 Prozent aller Renten sollen nun aber unter 665 Euro im Monat liegen, der offiziellen Armutsschwelle.

© SZ vom 12.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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