Gesundheit von Lehrern:Körperlich fit, psychisch belastet

Gesundheit von Lehrern: Der Mediziner Michael Schulte-Markwort schätzt, dass etwa drei Prozent aller Kinder und Jugendlichen unter Burnout leiden.

Der Mediziner Michael Schulte-Markwort schätzt, dass etwa drei Prozent aller Kinder und Jugendlichen unter Burnout leiden.

(Foto: imago)
  • Laut einer aktuellen Studie sind Lehrer sportlicher, haben seltener Übergewicht und rauchen nur halb so häufig wie die Allgemeinbevölkerung.
  • Sie lassen sich zudem seltener krankschreiben als der Rest der Pflichtversicherten, auch die krankheitsbedingten Frühpensionierungen sind zurückgegangen.
  • Jedoch: Die Pädagogen erkranken häufiger an Burn-out und psychischen Krankheiten als der Rest der Bevölkerung.

Von Anne Höhl

Gerhard Schröder schmähte Lehrer vor 20 Jahren als "faule Säcke". Da gab es viel klammheimliche Zustimmung, denn es gibt reichlich Geschichten, die Lehrer ins schlechte Licht rücken. Etwa die Mär von Pädagogen, die den Abend mit ein paar Gläsern Wein begießen, statt sich auf den nächsten Tag vorzubereiten.

Eine groß angelegte Studie, die nun im Ärzteblatt vorgestellt wurde, zeichnet ein anderes Bild: Lehrer sind demnach sportlicher, haben seltener Übergewicht und rauchen nur halb so häufig wie die Allgemeinbevölkerung. Sie lassen sich seltener krankschreiben als der Rest der Pflichtversicherten, auch die krankheitsbedingten Frühpensionierungen sind von mehr als 60 Prozent im Jahr 2001 auf jetzt 19 Prozent zurückgegangen. "Fit" passt da eher als "faul".

Lehrer achten mehr auf ihre körperliche Gesundheit als andere Berufsgruppen, bilanzieren die Autoren um den Mediziner Klaus Scheuch, der den Wissenschaftlichen Beirat der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin stellvertretend leitet. Ihre Erkenntnisse gewannen die Autoren aus Daten der gesetzlichen Krankenversicherung von fast 800 000 deutschen Lehrkräften und kombinierten sie mit eigenen Forschungsergebnissen.

"Lehrer sind immer ein Vorbild für ihre Schüler"

Der Grund für die schlanke Linie der Lehrer liegt bei den Schülern, da ist sich Ingo Froböse sicher. Der Sportwissenschaftler lehrt Prävention und Rehabilitation an der Deutschen Sporthochschule in Köln. "Lehrer sind immer ein Vorbild für ihre Schüler, von denen sie durchaus kritisch beurteilt werden", sagt Froböse. "In den vergangenen Jahren wurde in den Schulen zudem enorm viel über gesunde Ernährung und Sport gesprochen, das sensibilisiert natürlich auch die Lehrer für ihren eigenen Körper." Er selbst kennt den Druck, wenn im Sommer gestählte Körper über den Campus der Kölner Sporthochschule laufen. "Das ist bei einer sitzenden Tätigkeit in einer Behörde natürlich anders."

Der akademische Mittelstand, zu dem Lehrer zählen, schätzt ohnehin überdurchschnittlich Sport und gesunde Ernährung. Lehrer können sich ihre Arbeitszeit am Nachmittag außerdem relativ frei einteilen und damit für Bewegung nutzen. "Inzwischen beschreiben viele Krankenkassen ihre durchschnittliche Zielperson für Präventionsangebote als 45-jährige Lehrerin", sagt Froböse. An vielen Schulen treffen sich die Kollegen zum gemeinsamen Lehrersport: Am Hans-Böckler-Berufskolleg in Münster spielen sie Badminton, am Mulvany-Berufskolleg wird gemeinsam Yoga gemacht, und die Lehrer der Berufsbildenden Schulen in Gifhorn springen Trampolin. Turnhallen und Sportgeräte sind ja praktischerweise schon da.

Lehrer erkranken häufiger an Burn-out

Doch ist nicht alles rosig im Lehrerleben. Einen weitverbreiteten Eindruck bestätigte die Studie: Lehrer erkranken häufiger an Burn-out und psychischen Krankheiten als der Rest der Bevölkerung. Zwar haben die Pädagogen ein gesünderes Herz-Kreislauf-System, sie leiden aber häufiger unter Bluthochdruck sowie unspezifischen Beschwerden wie Erschöpfung, Müdigkeit, Kopfschmerzen und Angespanntheit als andere Berufsgruppen. Bei drei bis fünf Prozent der Lehrer wird ein Burn-out angenommen.

Oft sind psychische und psychosomatische Erkrankungen der Grund für Frühpensionierungen. Als Gründe nennen die Lehrer das hohe Anspannungsniveau über lange Zeit oder auch eingeschränkte Erholungszeiten während des Unterrichtstages.

Seit Jahren bemühen sich Bildungs- und Gesundheitsministerien um das Wohlergehen der Pädagogen - denn krankheitsbedingte Ausfälle verschlimmern den Lehrermangel und belasten die Rentenkassen. So hielt das Thüringer Bildungsministerium im vergangenen Jahr einen Kongress zur Pädagogengesundheit ab und Bayerns Bildungsministerium legte im April 2014 anlässlich einer Studie des Aktionsrates Bildung zur psychischen Belastung von Lehrern einen Maßnahmenkatalog fest, der die Gesundheit der Lehrkräfte fördern soll: Eignungsberatung für den Lehrerberuf an den Universitäten, verstärkte Achtsamkeit durch Schulpsychologen oder die Einführung von Feedbackgesprächen.

"Viele Lehrer machen zwar Sport, aber sie nutzen ihn zu selten als Ventil", sagt Ingo Froböse. "Häufig tragen die Lehrer den schulischen Leistungsgedanken mit in ihre Freizeit und entscheiden sich für sehr fordernde Sportarten." Nicht ohne Grund seien Lehrer die meistvertretene Berufsgruppe unter den Marathonläufen. Lehrer müssten Sport mit mehr Gelassenheit treiben, rät Froböse. Und lieber auf Entspannungstechniken setzen.

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