Sexuelle Übergriffe in Mainzer Kita:Kinderschutzbund richtet Krisenstab ein

  • In Mainz ist eine Kita geschlossen worden, in der es zu sexuellen Übergriffen zwischen Kindern gekommen sein soll.
  • Der zuständige Prälat spricht von "Perversitäten sexueller Gewalt" und zeigt sich fassungslos.
  • Erst der Brief einer Mutter an die Pfarrei hat nach Angaben des Bistums zur Schließung der Einrichtung geführt.

Sexueller Übergriffe zwischen Kindern

Nach der Serie sexueller Übergriffe unter Kindern in einer Kita in Mainz läuft die Betreuung von Eltern und Kindern an. Der Kinderschutzbund richtete dazu einen Krisenstab ein. "Eine Handvoll hat hier das Beratungsangebot in Anspruch genommen", sagte Geschäftsführer Uwe Hinze. Auch die Uniklinik und eine Fachklinik bieten Betreuung an. Fast alle der 55 Kinder sollen in irgendeiner Art betroffen sein.

Über Monate hinweg soll es in der katholischen Kita zu sexuellen Übergriffen und Gewaltdrohungen unter Kindern gekommen sein. "Wir können uns kaum erklären, wie diese Vorfälle über einen langen Zeitraum unbemerkt bleiben konnten", sagte Generalvikar Prälat Dietmar Giebelmann. Obwohl die Erzieher schon früh Hinweise erhalten hätten, sei nichts nach außen gedrungen.

Es habe sich um ein geschlossenes System gehandelt. Ein System, das nun offenbar traumatisierte Kinder im Alter von drei bis sechs Jahren hinterlassen hat. Erst am Montag der vergangenen Woche will die Pfarrei, die der Träger der Kita ist, von den sexuellen Übergriffen erfahren haben. Der Brief einer Mutter sei beim Pfarrer gelandet. Vorher sollen alle Hinweise nur bis zu den Erziehern und der Kita-Leitung vorgedrungen sein - ohne Konsequenzen.

Mitarbeiter entlassen - Bistum entschuldigt sich

Seit vergangener Woche ist die Kita nun geschlossen, den sieben Mitarbeitern wurde fristlos gekündigt. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen möglicher Verletzung der Fürsorge- und Erziehungspflichten. "Wie es geschehen kann, dass ein Gesamtgeist einer Einrichtung so umkippt und so im Grunde genommen verroht, weiß ich auch nicht", sagt Giebelmann. Er nennt das, was passiert ist, "Perversitäten sexueller Gewalt" - und beschreibt Handlungen, die mancher sich nur im Fall harter Pornografie vorstellen kann, sowie üble Gewaltandrohungen.

Die Staatsanwaltschaft schildert einige konkrete Vorwürfe. Demnach sollen Kinder andere Kinder unter Androhung von Gewalt genötigt haben, ihre Geschlechtsteile zu zeigen oder Gegenstände in den Anus einzuführen. Zudem habe es Fälle von "schlichter" Körperverletzung gegeben. Mehrere Kinder seien von anderen gezwungen worden, Spielzeug von zu Hause mitzubringen und abzugeben. Dem SWR zufolge waren 53 von 55 Kindern betroffen.

Das Bistum geht nun vor allem mit den Mitarbeitern der Kita hart ins Gericht. Er könne sich ihre Aussage, nichts bemerkt zu haben, kaum erklären, sagt Giebelmann. "Wir können als Bistum nur sagen, dass wir schlichtweg so betroffen sind, dass wir uns in aller Form bei Angehörigen, Kindern und Eltern entschuldigen."

"Das fällt eindeutig aus dem Rahmen"

Michael Huss, Direktor der Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie der Uniklinik Mainz, bezeichnet das Verhalten der Kinder als "nicht normal. Auch wenn ich meine Berufsjahre Revue passieren lasse, fällt das eindeutig aus dem Rahmen."

Für den Mediziner stellt sich angesichts der Berichte die Frage, ob Kinder in der Kita bereits Missbrauchserfahrungen gemacht hatten. Oder ob sie Pornofilme sahen. "Das Wichtigste für Eltern ist, den Kindern nun einen wirksamen Schutz zu geben und für sie da zu sein. Denn dieser Schutz hat offensichtlich in der Kita gefehlt", sagt Huss.

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