Warum spielen wir?:Jux und Tollerei

Nicht nur Menschen spielen, auch bei Tieren lässt sich dieses Verhalten beobachten. Dabei kostet Spielen Zeit und Energie - welchen Sinn hat es also?

Von Katrin Blawat

Ganz schön geschickt, diese Krähe. Mit beiden Beinen balanciert sie auf einem Tennisball. Kurz darauf zeigt das Internet-Video, wie der Vogel den Ball mit einem Fuß hin und her schubst, so als würde er einen Elfmeter vorbereiten.

Eine bolzende Krähe? Na ja, der Vogel hält sich natürlich nicht an die Fußball-Regeln, und Tore schießt er vermutlich auch keine. Aber nach einem Spiel sieht das Ganze schon aus.

Doch warum macht die Krähe das? Warum spielt sie mit einem Ball, die Katze mit dem Schnürsenkel, warum jagen Hunde einander auf der Wiese nach - und warum spielen Menschen "Uno", Fangen oder verwandeln sich im Computerspiel in seltsame Wesen?

Klar, Spielen macht Spaß. Hinterher hat man bessere Laune als nach einer Stunde Mathe-Üben. Und auch wenn Tiere keine Schulaufgaben schreiben müssen, scheinen sie sich genauso lustvoll in ein Spiel versenken zu können wie Menschen.

Andererseits bringt Spielen nicht nur Freude, sondern kostet auch Kraft und Zeit. Man kann sich dabei verletzen und bekommt mögliche Gefahren in der Umgebung nicht so gut mit wie sonst. Und statt satt zu werden, ist der Hunger nach dem Spielen meist größer als zuvor. Trotzdem verbringen wir - Tiere und Menschen jedes Alters - viel Zeit mit Spielen.

Und das ist viel mehr als nur ein lustiger Zeitvertreib. Spielen dient als Schule fürs Leben. Wir lernen dabei mehr als in jeder Unterrichtsstunde.

Die Krähe zum Beispiel könnte mit Hilfe des Balls herausfinden, wie geschickt sie mit ihrem Fuß Dinge bewegen kann. Und vielleicht hilft ihr dieses Wissen später, ein herumliegendes Stück Draht so zu verbiegen, dass sie sich damit Futter angeln kann. "Spielen fördert die motorischen Fähigkeiten", sagt der Psychologe Hannes Rakoczy aus Göttingen. Es zeigt einem, was man mit seinem Körper alles anstellen kann, und trainiert ihn für den Ernstfall. Das gilt für Steinböcke, die im Gebirge auf Felskanten herumtoben, ebenso wie für Kinder, die auf Bäume klettern.

Spielen trainiert aber nicht nur Kraft und Geschicklichkeit. "Man lernt auch, angemessen mit seinem Gegenüber umzugehen", sagt Hannes Rakoczy.

Wer im Fußballmatch immer wieder Spielern der Gegenmannschaft ein Bein stellt, wird irgendwann nicht mehr auf den Platz gelassen. Ähnliche Regeln herrschen unter Wölfen. Artgenossen, die sich im Spiel mehrmals unfair verhalten, müssen manchmal das Rudel verlassen.

Andererseits festigt es die Freundschaft, zusammen zu spielen. Kaum etwas verbindet so sehr, wie nach einem Fußballturnier mit der ganzen Mannschaft zu feiern. Und wenn es mal nicht ganz so rund läuft zwischen Freunden, kann ein bisschen Toben helfen, die aufgestaute Spannung abzubauen, ohne dass es gleich zu einem richtigen Streit kommt.

Spielen heißt auch ausprobieren: Wie ist es, ein gejagter Räuber zu sein? Und wie fühlt sich die Rolle des Polizisten an, der den Verfolgten schließlich mit wichtiger Miene abführt? Solche Fantasiespiele seien vermutlich etwas rein Menschliches, sagt der Psychologe Rakoczy, ebenso wie zum Beispiel Brettspiele mit ihren festen Regeln.

Abgesehen davon unterscheiden sich Mensch und Tier im Spiel aber nicht sehr. Erstaunlich viele Tiere spielen, vermutlich sogar einige Frösche und Krokodile. Und manche Schildkröten spielen angeblich Tauziehen, wenn sie ein Stück Schlauch finden.

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