BGH-Urteil:Handys stören Urteilsvermögen von Richtern

  • Einem Urteil des Bundesgerichtshofes zufolge dürfen Richter während der Verhandlung ihr Handy nicht für die aktive Kommunikation nach draußen nutzen.
  • Der BGH hatte dem Befangenheitsantrag von Verteidigern in einem Strafprozess stattgegeben. Sie hatten moniert, dass eine beisitzende Richterin durch das Schreiben von SMS abgelenkt gewesen sei.
  • Die Richterin hatte wegen des langen Prozesses zwei Textnachrichten abgeschickt, um die Betreuung ihrer Kinder zu regeln.

Von Wolfgang Janisch

Es ging um eine Messerstecherei unter jungen Männern - da hatten sich die beiden Angeklagten, wenn sie schon wegen Körperverletzung ins Gefängnis sollten, etwas mehr richterliche Aufmerksamkeit erwartet. Doch ausgerechnet bei der Vernehmung eines wichtigen Zeugen war eine Richterin des Landgerichts Frankfurt sichtlich abgelenkt. Eine wichtige Sache, keine Frage: Der Prozess ging auf 16.30 Uhr zu, die Kinder saßen allein zu Hause - da organisierte die Juristin von der Richterbank per SMS rasch die Betreuung.

Das habe nur wenige Sekunden gedauert, versicherte sie hinterher. Es waren zehn Minuten, behaupten die Verteidiger. Die Anwälte stellten einen Befangenheitsantrag - und der hatte nun beim Bundesgerichtshof Erfolg. Der 2. Strafsenat hob das auf viereinhalb und drei Jahre Haft lautende Urteil auf, der Fall muss neu verhandelt werden. Die Richterin habe den Eindruck erweckt, sie stelle "private Interessen über ihre Dienstpflicht zur Teilnahme an der Hauptverhandlung", sagte der Vorsitzende Thomas Fischer.

Früher waren die Gerichte in diesen Fragen eher großzügig

Ob die Nachricht von daheim wichtig oder unwichtig gewesen sei, spiele keine Rolle. Zwar sei es nachvollziehbar, wenn ein Richter "aufgrund menschlicher Schwächen" eine lange Verhandlung nicht mit gleichbleibender Aufmerksamkeit verfolgen könne und womöglich auch mal die Augen schließe. Das Handy aber verbannt der BGH nun aus prinzipiellen Gründen aus dem Gerichtssaal. Wer es zielgerichtet für die aktive Kommunikation nach draußen nutze, der verletze den Kernbereich richterlicher Pflichten.

Das Urteil kam überraschend, früher waren die Gerichte in diesen Fragen eher großzügig. Einem Richter, der während des Plädoyers eine Viertelstunde lang Gefangenenpost zensiert hatte, billigte der BGH schon 1962 zu, solche Briefe müssten ja nur auf unerlaubte Bemerkungen durchgesehen werden - das schaffe ein Richter auch nebenher.

Auch der Schlaf der Juristen geht, wenn er kurz genug ist, nach bisheriger Rechtsprechung in Ordnung. Dass ein Staatsanwalt, Augen geschlossen, Mund leicht geöffnet, kurz eingenickt war, hielt das Oberlandesgericht Hamm 2006 für hinnehmbar. Das Bundesverwaltungsgericht indes hob in einem ähnlichen Fall ein Urteil auf - ein Richter war definitiv eingeschlafen. Erkennbar sei dies durch ein "tiefes, hörbares und gleichmäßiges Atmen oder gar Schnarchen".

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