NSA-Affäre:Regierung verweigert Bundestag Einsicht in die Selektorenliste

BND Außenstelle Bad Aibling

Die Radarkuppeln der BND-Außenstelle in Bad Aibling.

(Foto: dpa)
  • Bei der Einsetzung eines Sonderermittlers, der Einsicht in die sogenannte Selektorenliste der NSA erhalten soll, will die Bundesregierung das letzte Wort behalten.
  • Dem parlamentarischen Untersuchungsausschuss wird dem Vorschlag des Kanzleramts zufolge lediglich ein Mitspracherecht eingeräumt.
  • Die Regierung sieht darin einen Kompromiss zwischen dem Aufklärungsanspruch des Bundestags und den US-amerikanischen Sicherheitsinteressen.
  • Die Opposition übt schwere Kritik an dem Vorschlag. Die Rechte des Bundestags würden übergangen.

Von Thorsten Denkler, Berlin, und Hans Leyendecker

Die Bundesregierung verweigert dem NSA-Untersuchungsausschuss den direkten Zugang zu den umstrittenen Suchbegriffen, die der amerikanische Geheimdienst NSA auf Analyse-Rechnern des Bundesnachrichtendienstes eingesetzt hat. Stattdessen will sie eine eigenständige "Vertrauensperson" einsetzen, die die Listen einsieht und dem Ausschuss Bericht erstattet.

Diesen Vorschlag hat das Bundeskanzleramt an diesem Mittwoch dem NSA-Untersuchungsausschuss unterbreitet. Der Ausschuss soll, wenn überhaupt, lediglich ein Mitspracherecht haben und den Auftrag an die Person mitformulieren dürfen.

In dem in weiten Teilen als geheim eingestuften Papier (hier die öffentlich zugänglichen Abschnitte), das das Bundeskanzleramt dem Ausschuss vorgelegt hat, heißt es: "Die Bundesregierung bietet an, Beschlüsse des Untersuchungsausschusses zu Auftrag und Person der Vertrauensperson dem weiteren Verfahren zugrunde zu legen."

Linke und Gründe lehnen den Vorschlag der Regierung ab

Ob diese Vorschläge allerdings angenommen werden, läge dann im Ermessen der Regierung. Die Bundesregierung begründet den Schritt damit, dass "auf absehbare Zeit nicht zu erwarten ist, dass die US-Regierung einer Weitergabe (der Suchbegriffe, Anm. d. Red.) ausdrücklich zustimmen wird".

Linke und Grüne lehnen die Idee grundsätzlich ab. In ihren Augen sollen die Ausschussmitglieder Einsicht in die so genannte Selektorenliste bekommen. Der Obmann der Grünen im NSA-Ausschuss, Konstantin von Notz, nannte den Vorschlag eine "Aufkündigung des Vertrauens gegenüber dem Parlament". Martina Renner, Obfrau der Linken, erklärte, der Bundestag werde mit der Entscheidung der Bundesregierung "in seinen Rechten komplett beschnitten".

Beide kündigten Klage gegen die Entscheidung der Bundesregierung an. Allerdings sind die Unterlagen als geheim eingestuft. Renner wertet das als Versuch der Bundesregierung, der Opposition den Rechtsweg abzuschneiden. Solange die Anwälte von Linken und Grünen keine Sicherheitseinstufung haben, dürfen sie das Papier nicht einsehen. Solche Einstufungsverfahren sind allerdings zeitaufwändig - was eine Klagevorbereitung im Grunde unmöglich macht.

"Eine Vertrauensperson ist kein gleichwertiger Ersatz"

Der Vorsitzende des NSA-Untersuchungsausschusses, Patrick Sensburg (CDU), kritisierte das Vorgehen der Bundesregierung scharf. "Eine Vertrauensperson ist kein gleichwertiger Ersatz für einen Untersuchungsausschuss", sagte er der SZ. Ob so eine Person eine "verfassungskonforme Erfüllung des Beweisbeschlusses"' sei, wie im Papier der Regierung behauptet, müsse "im Zweifel das Bundesverfassungsgericht entscheiden". Damit begrüßte Sensburg indirekt die angekündigte Klage der Opposition.

Offenbar seien die Probleme mit der Frage, ob und unter welchen Bedingungen dem Ausschuss Zugang zu den Selektoren gewährt werden könne, unterschätzt worden. "Am Anfang hat man nicht das Ende bedacht", sagte Sensburg.

Die Regierung lässt sich nicht auf den Kompromiss ein

Die Bundesregierung bleibt mit ihrem Vorschlag selbst hinter den Minimalforderungen ihrer eigenen Bundestagsfraktionen zurück. Abgeordnete von Union und SPD haben bisher deutlich gemacht, dass sie die Person, sei es ein Sonderermittler oder Sonderbeauftragter, als Parlamentarier selbst bestimmen wollen. Bundestagspräsident Norbert Lammert hatte gar die Idee eingebracht, zwei Sonderbeauftragte zu benennen, um auch die Bedürfnisse der Opposition zu befriedigen.

Die Bundesregierung hat sich nicht auf dieses Kompromissangebot eingelassen. Sie will das letzte Wort haben.

An diesem Donnerstag wird zur Stunde noch BND-Chef Gerhard Schindler ein zweites Mal im Ausschuss als Zeuge gehört. Er soll unter anderem über den Verlauf der angeblichen Verhandlungen seines Hauses über ein No-Spy-Abkommen mit den Amerikanern berichten.

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