Idee für neues Modell:Migranten als Investoren

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436 Milliarden Dollar überwiesen Migranten aus armen Ländern 2014 in ihre Heimat. Das ist gut, aber nicht gut genug. Eine neue Entwicklungsbank könnte helfen.

Kolumne von Nikolaus Piper

Europa diskutiert über die Flüchtlingswelle. Viele kluge Leute bieten viele wohlfeile Rezepte, deren wohlfeilstes lautet: Fluchtursachen bekämpfen. Jeder weiß, dass Europa nicht die Bürgerkriege in Syrien, Libyen oder Südsudan beenden kann. Und wenn es tatsächlich möglich wäre, die Staaten Afrikas von außen zu entwickeln, dann wäre dies längst geschehen, angesichts der Entwicklungsmilliarden, die jedes Jahr nach Afrika fließen. Trotzdem gäbe es einiges, was die Industrieländer tun könnten, um die Lage in den Herkunftsländern zu verbessern, beispielsweise den Abbau des Agrarprotektionismus in Europa, der die Landwirtschaft vieler armer Länder schädigt. Eine neue Idee haben jetzt zwei Ökonomen vorgelegt.

Otavio Canuto, ein ehemaliger Weltbank-Direktor, und Aleksandr Gevorkyan von der St. Johns Universität, Long Island, stellen im Ökonomen-Blog Economonitor ihr Konzept für eine Migrations-Entwicklungsbank (Migration Development Bank, MDB) vor. Viele der Migranten, die in diesen Tagen auf Lampedusa oder in Spanien stranden, sind Armutsflüchtlinge, die nicht politisch verfolgt werden, sondern in Europa einen Job suchen, um zu Hause ihre Familie zu unterstützen. Für sie ist diese Bank gedacht.

"Klare Hinweise auf ein ungenutztes Entwicklungspotenzial"

Die Überweisungen haben in den Heimatländern eine wichtige Funktion. Aber, so argumentieren Canuto und Gevorkyan, das könnte man noch verbessern. "Es gibt", schreiben sie, "klare Hinweise auf ein ungenutztes Entwicklungspotenzial in Verbindung mit diesen Strömen von Arbeit und Geld, vor allem wegen des Mangels an geeigneten Institutionen." Das Potenzial könnte genutzt werden, wenn das Geld der Migranten nicht nur in den Konsum, sondern auch in Investitionen fließt.

Die Migrantenbank würde den Einwanderern die Gelegenheit geben, Geld in der Heimat bei begrenztem Risiko zu investieren, für das Heimatland täte sich eine neue Kapitalquelle auf. Die Bank säße im Gastland des Migranten und würde das dort vorhandene Wissen nutzen, garantiert würde sie von den Regierungen des Gast- und des Heimatlandes. Die beiden Ökonomen sehen ihre Bank vor allem als Modell für die Staaten der ehemaligen Sowjetunion, sie wäre aber auch problemlos auf Migranten aus Afrika übertragbar.

Es ist kein neuer Gedanke, das Geld von Migranten gezielt zu nutzen. Das berühmteste Beispiel dafür ist die amerikanische Bank of Italy, aus der später die Bank of America werden sollte, heute eines der größten Kreditinstitute der Welt. Amadeo Giannini, Kind italienischer Einwanderer, gründete die Bank 1904 in San Francisco. Er war der Einzige, der seinen verarmten Landleuten Kredit gab und ihre Einlagen akzeptierte. Wie viel Geld sie hatten, war ihm egal, er glaubte die Menschen zu kennen und ihnen zu vertrauen.

Es würde sich lohnen, dem Modell eine Chance zu geben

Vertrauen wird auch der entscheidende Faktor sein, wenn sich tatsächlich jemand an die Gründung einer Migrantenbank machen sollte. Die Bank of Italy trieb Geschäft mit nicht kreditwürdigen Menschen in einem Land mit entwickeltem Bankensystem. Die MDB müsste in einer bisher nicht sehr vertrauenswürdigen Umwelt investieren und dabei die Standards des reichen Gastlandes wahren - eine neue Dimension.

Auf jeden Fall lohnt es sich, dem Modell eine Chance zu geben. Banken haben in diesen Tagen einen miserablen Ruf. Aber die richtige Bank an der richtigen Stelle kann den Unterschied zwischen Armut und Wohlstand ausmachen, wie die Bank of Italy gezeigt hat. Die Migrantenbank könnte im Idealfall die Armutsmigration von heute nutzen, um die Armutsmigration von morgen überflüssig machen.

© SZ vom 19.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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