Formel 1 in Österreich:Spielberg will aufi

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Bolide, Bulle, Bäume: das Panorama von Spielberg - vorne dreht Lewis Hamilton seine Runden.

(Foto: AFP)

50 Frauen im Dirndl, ein Niki-Lauda-Imitator und bunt bemalte Traktoren: Im Jahr zwei nach dem Comeback des Rennens in Österreich gibt sich das Land bei seiner Formel-1-Inszenierung sichtlich Mühe. Doch der Hype schwindet.

Von Elmar Brümmer, Spielberg

Die Plakate mit "Danke, Dietrich Mateschitz" sind verschwunden. Aber natürlich geht beim Projekt Spielberg, dessen populärster Teil die Formel-1-Rennstrecke ist, nichts ohne den Getränkehersteller Red Bull, der dem Ring auch seinen Namen gibt. Ein Mann betritt das Foyer des Pressezentrums, bis hierhin ist er schon ohne Akkreditierung gekommen. Der Ordner, der sich ihm mutig entgegenstellt, erhält eine kurze, klare Anweisung: "Ich bin von Red Bull. Ich muss aufi!" Selbstverständlich darf der Gesandte passieren . . .

Das Jahr zwei nach dem Comeback des Großen Preises von Österreich. 95 000 Zuschauer, ausverkauft: Das ist der Maßstab des vergangenen Jahres. Bis Freitag waren lediglich 60 000 Tickets verkauft, es gibt auch großzügige Rabatte. Das TV- Magazin "tele" müht sich nach Kräften mit dem Überschriften-Reigen: "Motorenbrummern - Bienensummen - Muffensausen". In der nahe gelegenen Stadt Graz sagt ein Stimmenimitator als Niki Lauda die Straßenbahn-Haltestellen an.

Niki Lauda fehlen echte Kerle

Der echte dreimalige Weltmeister hat am Wochenende neben der Aufsicht beim Mercedes-Team und der Ansage bei RTL noch einen Drittjob: Im Rennen der Legenden wird Lauda sein Siegerauto von 1984 fahren. Werbung für das Schaulaufen hat der inzwischen 66-Jährige genug betrieben - unter anderem mit der Aussage, der Formel 1 würden die echten Kerle fehlen. Am Sonntag im Vorprogramm kommt es nun zum Selbstversuch.

Anderswo wird darüber diskutiert, ob Grid Girls, die den Fahrern am Sonntag um 14 Uhr in der Startaufstellung Nummern an Stangen vor die Autos halten, noch zeitgemäß sind. Der österreichische Beitrag zu der Diskussion: Statt 20 junge Frauen gibt es hier sogar 50 sogenannte "Unas", die alle im Dirndl aufmarschieren. Im maßgeschneiderten natürlich.

Um sich auf dem Auftritt vorzubereiten und die Unas als Team zusammenzuschweißen, gab es, Red Bull sei dank, sogar eigens ein Trainingslager. So etwas gibt es wirklich nur hier. Auch bunt bemalte Traktoren rollen sonst selten durchs Fahrer- lager. Sie sollen das Bild vermitteln, dass der High-Tech-Zirkus Formel 1 in der Idylle Station macht. Trotz all dem: Der Hype, der im vergangenen Jahr bei der Formel-1-Rückkehr zu spüren war - er ist offenbar ein wenig verflogen.

Klagen über zu wenig Spektakel

Mit der sportlichen Talfahrt des Red-Bull-Rennstalls aber soll das nichts zu tun haben. Das zumindest lassen Firmenchef Dietrich Mateschitz und sein Motorsport-Statthalter Helmut Marko beharrlich durchblicken. Die Formel 1 biete gerade halt schlicht zu wenig Spektakel, sie sei zu technisch, zu kompliziert. Das lässt sich so lange energisch wiederholen, bis der Konzern vielleicht die Gesamtvermarktung der Rennserie übertragen bekommt.

Parallel zu diesen Bemühungen läuft die Demontage des aktuellen Motorenpartners Renault weiter. Daniel Ricciardo und Daniel Kwiat setzen beim achten der 19 Saisonrennen schon ihren jeweils fünften Motor ein. Weil jeder Fahrer eigentlich mit vier Motoren auskommen muss, werden die beiden in der Startaufstellung um zehn Plätze strafversetzt. Viel ist von so weit hinten nicht mehr zu gewinnen. Branchenführer Mercedes hatte die Region im Vorjahr zum "Heim-Spielberg" erklärt; damals gewann Nico Rosberg. Dieses Mal lautet der Slogan des Stuttgarter Automobilherstellers: "Die Spitze des Spielbergs".

Mercedes-Teamchef Toto Wolff stammt aus Wien, wo auch die Zeitung Die Presse erscheint. Deren Einstiegs- frage zum Interview mit dem 43-Jährigen liest sich, als käme die Siegertechnik aus Österreich: "Welche Rolle spielt ein Rennen im eigenen Land für Mercedes?" Wolff räumt ein, dass ihm die Austragungsländer sonst egal seien. Dieses Wochenende aber geht ihm angeblich unter die Haut: "Es ist der Patriotismus, der Stolz auf Österreich. Es ist die Liebe zu diesem Land. Das macht es zu etwas Besonderem."

Sebastian Vettel, der an Ferrari verlorene Adoptiv-Sohn von Red Bull Racing, fühlt immer noch eine gewisse Verbundenheit. Teilweise sei Österreich noch seine Formel-1-Heimat, lässt er sich auf Suggestiv-Fragen entlocken. Er habe in den vergangenen sechs Jahren gelernt, das Land zu lieben. Mit einem Grinsen fügt er an, dass die Deutschen an sich ja immer gerne zu Besuch kämen. Wegen der Natur.

Für Vettel hatte das Gastspiel im Vorjahr eine besondere Bedeutung: Erstmals durfte er damals im Rahmenprogramm ein Formel-1-Auto von Ferrari bewegen, Gerhard Bergers Wagen von 1988. Ein Vierteljahr später unterschrieb Vettel dann selbst beim berühmten Team in Maranello.

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