Oliver Samwer und Rocket Internet:Leise Töne vom "aggressivsten Mann des Internets"

Lesezeit: 3 min

Nur Versprechen im Angebot: Oliver Samwer bei der Rocket-Internet-Hauptversammlung in Berlin (Foto: REUTERS)
  • Auf der ersten Hauptversammlung nach dem Börsengang stellt sich der Gründer der Start-up-Schmiede Rocket Internet, Oliver Samwer, seinen Aktionären.
  • Viel Konkretes kann er ihnen nicht bieten, bisher schreiben die Neugründungen vor allem hohe Verluste.
  • Nur ein Kandidat, so verspricht es Samwer, hat bisher das Potenzial, eine zehnstellige Summe in die Kassen zu spülen.

Von Varinia Bernau, Berlin

Der "aggressivsten Mann im Internet" und seine Aktionäre

Zur Einstimmung läuft ein bunter Film: Männer brausen auf Motorrädern durch Indien - und liefern Essen aus. Frauen stehen in Moskau - und bestellen per Smartphone schicke Pumps. Und Oliver Samwer blickt den Zuschauern entschlossen in die Augen - und sagt: "Wir akzeptieren ein Nein nicht als Antwort."

Willkommen auf der ersten Hauptversammlung von Rocket Internet, jener Start-up-Schmiede, die Samwer einst gegründet und im vergangenen Herbst an die Börse gebracht hat. Nun steht er, der sich selbst einmal den aggressivsten Mann im Internet genannt hat, vor einem Rednerpult - und versucht zum ersten Mal seinen Aktionären dieses Reich zu erklären. Er trägt einen schwarzen Anzug und ein Hemd in seriösem Blau. Er spricht mit ruhiger Stimme. Ab und an wagt er ein Lächeln.

Teuer erkaufte Wachstumsträume

Statt einer großen Konzerthalle, wie sie Dax-Konzerne für ihre Hauptversammlungen mieten, reicht Rocket Internet eine kleine Ladenpassage hinter den Gleisen am Bahnhof Zoo. Etwa 60 Aktionäre sind gekommen. Nicht die sonst üblichen Senioren in beigefarbenen Jacken dominieren das Bild, sondern Manager Mitte 30 in teuren Anzügen. Gerade einmal 17,3 Prozent der Rocket-Anteile sind in Streubesitz - und als das Unternehmen im vergangenen Oktober an die Börse ging, rieten Experten Kleinlegern, lieber die Finger von dem Papier zu lassen.

Denn das Geschäft von Rocket Internet sind teuer erkaufte Wachstumsträume. Die Berliner produzieren Firmen am Fließband: Das Unternehmen gibt Gründern Geld, Büroräume, Erfahrungen und Kontakte, um ihre Ideen schnell umzusetzen und in verschiedene Länder zu bringen. Im Gegenzug dafür erhält Rocket Internet Anteile an den aufstrebenden Kleinunternehmen, um diese dann später zu Geld zu machen, etwa wenn die Neugründung selbst an die Börse geht. Ein Anleger von Rocket Internet braucht also vor allem eines: Geduld.

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Oliver Samwer hat sich mal den aggressivsten Mann im Internet genannt. Nun, da er seine Start-up-Schmiede Rocket Internet an die Börse gebracht hat, gibt er sich zahmer - und verrät sogar, mit welchem Investment er mal richtig danebenlag.

Von Varinia Bernau

Profitieren von der Masse

Darum wirbt Samwer an diesem regnerischen Morgen in Berlin: Es gehe darum, dass die Gründer all dieser Essenlieferanten, Schuhversender, aber auch digitalen Kreditgeber, ihr Unternehmen nicht mehr in einer Garage gründen, sondern in einer Fabrik. Was Samwer meint: In seiner Fabrik. Rocket Internet, so erläutert er den Aktionären, stellt rund um den Globus Leute, die beobachten, was in der Welt passiert, was die Menschen da draußen wollen. Rocket Internet stellt auch das technologische Rückgrat zu Verfügung. Das ist, was in der Fabrik von einst noch das Fließband war.

"Früher musste jeder Gründer bei null anfangen", sagt Oliver Samwer. Bei Rocket Internet aber setzten sie alle auf die gleiche Technologie, auf die von anderen gemachten Erfahrungen und geknüpften Kontakte.

Bisher nur Millionenverluste

Samwer steht vor einer an die Wand projizierten Weltkarte - mit vielen kleinen Fähnchen: In etwa 110 Länder hat Rocket Internet seine Dienste bereits gebracht. Denn überall, so sagt Samwer, kaufen die Menschen Schuhe, Möbel und Nahrungsmittel. Überall geben sie für diese Grundbedürfnisse Geld aus. "Es ist unser Traum, allen Menschen auf der Welt den Zugang zu solchen Diensten zu ermöglichen." Was Samwer meint: Überall wird Rocket Internet daran verdienen - wenn sich dieser Traum denn erfüllt.

Der Beweis dafür ist noch nicht erbracht. Bislang schreiben alle Start-ups aus dem Rocket-Reich rote Zahlen. Etwa sechs bis neun Jahre brauche eine Neugründung, um den Sprung in die schwarzen Zahlen zu schaffen, hat Samwer kürzlich auf einer Konferenz erzählt. Im vergangenen Jahr stand bei Rocket Internet daher unterm Strich ein Verlust von 45,9 Millionen Euro. Samwer will sich auch deshalb bei dem Aktionärstreffen die Erlaubnis für eine Kapitalerhöhung von 50 Prozent des Grundkapitals holen. Nach dem derzeitigen Aktienkurs könnte das mehr als 2,5 Milliarden Euro einbringen. Außerdem will der Rocket-Chef grünes Licht für eine Wandelanleihe im Volumen von bis zu zwei Milliarden Euro.

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Wertangaben existieren bisher nur auf Papier

Und deshalb ist eine der wichtigsten Botschaften, die Samwer seinen Aktionären mitgebracht hat: Es gibt durchaus einen Kandidaten im Rocket-Reich, der bald einen ziemlich erfolgreichen Börsengang hinlegen könnten. Er heißt Delivery Hero und liefert Essen. Gerade hat das Unternehmen noch etwas Geld bei Investoren eingesammelt - und so seinen Wert auf 2,8 Milliarden Euro steigern können. Damit, so verkündet Rocket Internet nun stolz, ist auch der Wert des Anteils gestiegen, den man selbst an der Firma hält - und zwar auf knapp 1,1 Milliarden Euro.

Bislang steht diese Summe allerdings nur auf dem Papier. Irgendwann könnte für die Aktionäre noch viel mehr rausspringen - aber ebenso gut auch weniger.

Mehr als Versprechen kann Samwer nicht bieten

Aber dieses Versprechen, das ist das Wertvollste, was Oliver Samwer seinen Aktionären an diesem Tag zu bieten hat. Mit dem Aktienkurs kann er jedenfalls nicht um ihre Gunst buhlen - der liegt an diesem Morgen sogar noch unter dem Wert, zu dem die Rocket-Internet-Anteile einst ausgegeben wurden. Und Samwer kann die Aktionäre auch nicht, wie das die Chefs von Dax-Konzern mit mauem Kurs gerne tun, mit der Aussicht auf eine Dividende milde stimmen.

Er braucht das Geld, um seinen Traum zu verwirklichen. Er braucht es, um endlich eine erfolgreiche Internetgeschichte aus Deutschland zu liefern. Und er braucht es auch, um sein Versprechen bei den Aktionären einzulösen - und um ihr Vertrauen zu halten.

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