Machtkampf in der AfD:"Man fetzt sich in einer Weise, die unerträglich ist"

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Konrad Adam (vorne) hat sich nun endgültig von seinem Ko-Vorsitzenden Bernd Lucke abgewandt. (Foto: David Hecker/Getty)
  • Ko-Chef Konrad Adam stellt sich im Machtkampf innerhalb der AfD eindeutig hinter Frauke Petry - und gegen Parteigründer Bernd Lucke.
  • Er wirft dem Kandidaten für den alleinigen Parteivorsitz Mangel an "Herzensbildung" und einen autoritären Führungsstil vor.
  • Adam warnt vor einer möglichen Spaltung der Partei und distanziert sich vom rechten Rand der AfD.

Von Jens Schneider, Berlin

Im Machtkampf in der Alternative für Deutschland (AfD) stellt sich der noch amtierende Bundesvorsitzende Konrad Adam nun eindeutig hinter Frauke Petry. Er wirft ihrem Konkurrenten Bernd Lucke Mangel an "Herzensbildung" und fehlende Teamfähigkeit vor und warnt zugleich vor Spaltungstendenzen in der AfD. "Der Zustand der Partei ist fragil", sagte Adam der SZ. "Wir stehen vor der Entscheidung, wie die Zukunft der AfD aussehen wird; und ob sie überhaupt noch eine hat."

Der Publizist, der viele Jahre lang für die Frankfurter Allgemeine Zeitung und die Welt schrieb, führt die Partei seit ihrer Gründung gemeinsam mit Petry und Lucke als Teil eines gleichberechtigten Trios. Adam will auf dem Parteitag Anfang Juli in Essen für den erweiterten Vorstand kandidieren, aber nicht für eine Spitzenposition. Petry und Lucke werden gegeneinander antreten, um alleinige Vorsitzende zu werden. Sie schließen nach heftigen Konflikten eine weitere Zusammenarbeit aus.

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Ein parteiinternes Schiedsgericht hat den "Weckruf 2015" verboten, mit dem AfD-Chef Lucke seine Partei retten wollte. Einige Mitglieder fordern nun Luckes Rücktritt - seine Unterstützer bezeichnen die Entscheidung dagegen als nichtig.

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"Übermäßig streitsüchtig, vor allem in Personalfragen"

Adam beschreibt seine Partei als "übermäßig streitsüchtig, vor allem in Personalfragen". Das wäre seiner Einschätzung zufolge nicht weiter schlimm, wenn dabei ein gewisser Stil beachtet würde. "Aber genau das passiert meistens nicht", sagte Adam. "Man fetzt sich in einer Weise, die unerträglich ist und dazu geführt hat, dass die meistbeschäftigten Organe der Partei die Schiedsgerichte sind. Die ertrinken in Arbeit, weil sie mit den endlosen Querelen nicht fertig werden."

Dieser Zustand müsse beendet werden, weil die AfD sonst im Chaos versinke. Der Parteitag in Essen müsse die Entscheidung bringen. "Der Knoten muss durchschlagen werden, und dazu braucht es eine solide Mehrheit."

Der 73 Jahre alte Adam zählte vor zwei Jahren wie Lucke und Petry zum kleinen Gründerkreis der AfD, innerhalb des Vorstands ist er oft mit Lucke aneinandergeraten, ohne sich vollends gegen ihn zu stellen. "Ich habe oft über die positiven Eigenschaften von Bernd Lucke gesprochen. Er verfügt über ein hohes Maß an akademischer Bildung, was ihm allerdings fehlt, ist das, was man Herzensbildung nennt", sagt Adam nun. Lucke erwarte Zusammenarbeit, belohne sie aber nicht.

Kompromiss hält Adam für ausgeschlossen

Mit den Worten "Er will nicht nur der Primus inter pares sein, sondern absoluter Primus", wirft Adam Lucke einen autoritären Führungsstil vor. "Gleiche gibt es für ihn offenkundig nicht, zumindest lässt er nichts davon erkennen." Frauke Petry sei einsatzfreudig und ehrgeizig wie Bernd Lucke, "im Umgang mit Menschen aber zweifellos geschickter", sagte Adam. "Vor allem vermag sie es, die Leute für sich einzunehmen, indem sie die Menschen glauben macht, dass sie ihrem eigenen Kompass folgen, wenn sie für Frauke Petry in den Kampf ziehen."

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Einen Kompromiss zwischen beiden hält der noch amtierende Parteivorsitzende für ausgeschlossen. Sie hätten sich tief eingegraben und ihre Mannschaften um sich versammelt: "Und wozu sammelt man seine Leute, wenn nicht, um sie in den Krieg zu führen?"

Die Situation habe sich so zugespitzt, dass man sich in der Partei zwischen beiden Flügeln entscheiden müsse. "Ich springe nicht gern; aber wenn ich springen muss, dann weiß ich wohin", sagte Adam. Er denke nicht, dass Lucke sich mit einem zweiten Platz zufriedengeben werde. "Ich kann nicht einschätzen, was er nach einer möglichen Niederlage tun wird. Manches deutet auf Abspaltung und Neugründung einer eigenen Partei."

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Sorge um Rechtsruck in einzelnen Landesverbänden

Konrad Adam, der dem bürgerlich-konservativen Flügel in der AfD zugerechnet wird, bereitet zugleich ein Rechtsruck in einzelnen Landesverbänden der AfD große Sorgen. "In Hessen und Thüringen sind die Rechtsausleger vergleichsweise stark. Die benachbarten Verbände nutzen den Synergieeffekt", sagte er. Die Partei gehe da einer Zerreißprobe entgegen. "Als Reaktion auf den letzten Landesparteitag, der den Umschwung brachte, sollen allein in Hessen an die 200 Menschen die Partei verlassen haben. Wie immer, die falschen", klagt Adam, der selbst aus Hessen stammt.

Mit Blick auf den bevorstehenden Bundesparteitag in Essen distanzierte sich Adam deutlich vom äußersten rechten Flügel der AfD um den Thüringer Landesvorsitzenden Björn Höcke, gegen den der Bundesvorstand ein Amtsenthebungsverfahren eingeleitet hat. Höcke war wiederholt fehlende Distanz zu rechtsextremen Parteien wie der NPD vorgeworfen worden. Er hatte diese Vorwürfe zurückgewiesen. Aus seiner Landtagsfraktion in Thüringen wurden nach internem Streit mehrere Mitglieder ausgeschlossen. "Ich glaube und hoffe nicht, dass Herr Höcke die Zukunft der Partei darstellt", sagte Adam. "Er ist ein Mann mit missionarischen Zügen und hat es fertiggebracht, innerhalb kurzer Zeit seine Landtagsfraktion um ein Viertel zu dezimieren." Mit Blick auf die Vorwürfe gegen den Thüringer Politiker sagte Adam: "Höcke hat sich mehr als einmal höchst unglücklich geäußert, wenn es um sein Verhältnis zur NPD geht. Nun kann man sagen, das war ungeschickt, aber wenn sich das Ungeschick häuft, stellt sich die Frage nach der Absicht."

© SZ vom 24.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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