Spreebogen:Winkende Majestät

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Wenn die Queen auf Besuch in Deutschland ist, drehen alle durch. Reporter eingeschlossen. Aber es gibt Ausnahmen, oh ja! Männer, die sich nicht beeinflussen lassen, die cool bleiben, die sich von der Königin bestimmt nicht . . . oder doch?

Von Nico Fried

Nein, ich war neulich nicht bei der Queen. Ich habe zwei Kolleginnen den Vortritt zu Königin Elizabeth II. gelassen, die qua Herkunft viel besser geeignet sind für das Monarchische als ich. Die eine, Verena Mayer, kommt aus Österreich, was ein kleines Land ist, weshalb auch jeder Österreicher und jede Österreicherin schon aus mathematischen Gründen irgendwie mit den Habsburgern verwandt sein muss. Bei der anderen spricht der Name für sich: Constanze von Bullion, VON, Sie verstehen? Der Verzicht fiel mir leicht, ehrlich gesagt, das Royale interessiert mich nicht so.

Es gab auch praktische Gründe, die gegen mich als Berichterstatter sprachen. Für das Staatsbankett zum Beispiel betrieben manche Gäste einen beachtlichen Aufwand. Ich weiß von mindestens einer Frau, dass sie sich extra die Haare eingedreht hat, um beim Defilée vor der Queen eleganter auszusehen. Hätte ich mir die Haare eingedreht, hätte das - vorsichtig formuliert - nicht den gleichen Effekt gehabt. Im Fernsehen waren noch andere bemerkenswerte Renovierungsarbeiten zu begutachten, wobei ich die Live-Berichterstattung natürlich nur verfolgt habe, weil meine Frau das gucken wollte und ich dann halt zu faul war, vom Sofa aufzustehen. Ich mache mir nicht wirklich was aus der Queen.

Auch das Tragen des vorgeschriebenen Smokings wäre für mich schwierig gewesen. Ich bin einer von sehr vielen Journalisten in Berlin, die sich vor einigen Jahren mal einen Smoking in der Filiale einer schwedischen Modekette in der Friedrichstraße gekauft haben. Wie lange das her ist, merkt man daran, dass der Smoking damals noch 99 D-Mark gekostet hat. Das Teil trage ich einmal im Jahr zum Bundespresseball. Die Länge der Hosenbeine wie auch der Jackenärmel ist erfreulich stabil geblieben. Im Hosenbund aber scheint der Stoff von minderer Qualität zu sein. Er schrumpft irgendwie, zieht sich zusammen, ich weiß nicht genau, warum, jedenfalls sitzt der Smoking um den Bauch von Jahr zu Jahr immer enger.

Ich bin nicht sicher, ob ich schon erwähnt habe, dass mich die Queen nicht interessiert, aber zufällig stand ich am Mittwoch auf der Straße Unter den Linden, als die königliche Kolonne vorbeifuhr, erst die Motorräder, dann der braune Bentley. Man konnte die Queen sehr gut erkennen, auch auf dem kleinen Film, den ich mit dem Smartphone aufgenommen habe - nicht für mich, die Queen bedeutet mir gar nichts, nur für meine Frau und meine Kinder und meine Mutter und meine Geschwister und meine Kollegen.

Ich habe den Film danach einmal angeschaut, nur zur Kontrolle. Da fiel mir auf, dass die Queen direkt in mein Smartphone winkte. Eindeutig. Sie winkte mir zu. Das hat mich dann doch nachdenklich gemacht. Vielleicht ist das Desinteresse gar nicht gegenseitig. Die Queen jedenfalls macht auf dem Film den Eindruck, dass sie sich gefreut hat, mich zu sehen. Fast sieht es so aus, als sollte ihr Winken sagen, sie sei überhaupt nur nach Berlin gekommen, um mich zu sehen.

Ich weiß nicht, ob das stimmt. Aber eins weiß ich, Frau Mayer und Frau von Bullion: Wenn die Queen das nächste Mal kommt, gehe ich zum Staatsbankett. Und dann frag' ich sie.

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