Ebersberg:Von Liebe, Lust und Leiden

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Evangelische Kantorei singt zum 20-jährigen Bestehen

Von Peter Kees, Ebersberg

Das mit der Liebe ist so eine Sache. Das Konzept der romantischen Liebe ist so alt schließlich noch nicht. Grob beginnt es mit dem aufstrebenden Bürgertum im 18. Jahrhundert. Denn erst ab diesem Zeitpunkt wird Liebe freiheitlich lebbar; vorher war Paarung in erster Linie Besitzstandswahrung. Die freie Entscheidung für einen anderen Menschen, verbunden mit romantischer Schwärmerei ist also relativ jung. Mit der freien Wahl ist natürlich per se auch die Möglichkeit der Enttäuschung verknüpft. Schon im Wort "Leidenschaft" steckt ja neben der fulminanten Kraft auch das Scheitern und Verzweifeln, eben das Leiden. Nicht umsonst haben gerade romantische Dichter und Musiker das thematisiert und zum Zentrum ihrer Lieder- und Gedichtzyklen gemacht. Man denke an Schubert oder Schumann.

Die evangelische Kantorei Ebersberg hat anlässlich ihres 20-jährigen Bestehens am vergangenen Samstag zum Konzert "Lieder der Liebe" geladen. Nicht zwingend erwartet man bei einem Konzert eines geistlichen Ensembles weltliche Musik, zumal Liebe im christlichen Verständnis noch ganz anders konnotiert ist. Umso erwartungsvoller saß das Publikum im vollbesetzten Saal des evangelischen Gemeindehauses in Ebersberg. Man begann, nimmt man Rhonda Polays Chorsatz "Come in and stay a while", der als Einladung durchaus wörtlich gemeint war, einmal aus, allerdings weit vor der Romantik. Zunächst waren alte Chorsätze von John Dowland (1563 -1626) und zwei Traditionals, "Greensleeves" und "Dona, dona" zu hören - letzteres übrigens auf jiddisch gesungen. Hier hat Liebe noch eine andere, eher spielerische Note. Ganz rasch war man aber doch im 18. beziehungsweise vor allem im 19. Jahrhundert. Hier zunächst bei der Gattung des Kunstliedes. Drei Choristen - Ina Schön, Werner Gutdeutsch und Michael Hahn - traten am Klavier begleitet von Chorleiterin Monika Sauer als Liedsänger auf. Ähnlich wie bei den vier einleitenden a capella-Chorsätzen, wurden auch hier Schlager vorgetragen. Werner Gutdeutsch gab, nachdem Ina Schön Mozarts "Veilchen" sang, den Osmin aus Mozarts "Entführung aus dem Serail". Dieses Mozart-Singspiel ist im Grunde nichts anderes als eine Liebesgeschichte, in der sich zwei Paare finden, immer wieder durchkreuzt von dem unerfüllten Liebesbegehren des Osmin. Ja, unerfüllte Liebe hat eben auch mit Liebe zu tun, gerade in Dichtung und Musik, denn dort, wo sich Liebe erfüllt, braucht es keine Lieder.

Und so mussten die Interpreten natürlich bei Schubert und Schumann landen. Zwei Lieder aus Schuberts "Schöner Müllerin" wurden von Michael Hahn gesungen, "Ich frage keine Blume" und "Schad um das grüne Band". Der Wanderer in Schuberts Liederzyklus verliebt sich in die unerreichbare schöne Müllerin und ertränkt sich aus Verzweiflung schließlich im Bach. Dieses Bild steht exemplarisch für den exzessiv ausgedrückten Liebesschmerz des 19.Jahrhunderts. Und eben in diesem Block von Kunstliedern wurde auch "Ein Jüngling liebt ein Mädchen" vorgetragen, daneben weitere Gassenhauer wie Schumanns "Frühlingsfahrt" und "Volksliedchen".

Das Hauptwerk des Abends aber waren Johannes Brahms Liebesliederwalzer für vier Singstimmen und Klavier vierhändig. In diesem Fall freilich in der Chorfassung von der Evangelischen Kantorei interpretiert. Am Klavier saßen Katalin Lengyl und Andreas Altherr. Die Texte dieser Liebesliederwalzer stammen aus der Sammlung Polydora von Georg Friedrich Daumer und sind freie Nachdichtungen internationaler Volksdichtungen, die auf russischen, polnischen und ungarischen Vorlagen beruhen.

Nach diesen heiter-ironischen Walzern wurde es nochmals solistisch: Michael Riedel sang drei Songs aus Leonard Bernsteins Musical West Side Story, "There's a place", "Tonight" und "Maria". Der Chor intonierte Luise Amstrongs Hit "What a wonderful world", "Somebody loves me" von George Gershwin und den Beatles Song "Yesterday" - man war also inzwischen im 20.Jahrhundert angekommen. Schließlich öffnete man noch die Kiste der Ironie: Michael Hahn sang Max Raabes "Für Frauen". Zum Ausklang abermals der Chor, mit dem Comedian Harmonists-Song "Wochenend und Sonnenschein".

© SZ vom 29.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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