NSA-Skandal:Bundesregierung zitiert US-Botschafter ins Kanzleramt

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Das Bundeskanzleramt in der Abenddämmerung. (Foto: Getty Images)
  • Wegen der jüngst bekannt gewordenen Abhöraktionen gegen weite Teile der Bundesregierung, hat Kanzleramtschef Peter Altmaier den US-Botschafter zum Gespräch gebeten.
  • Die Bundesregierung sieht wegen des Verhaltens der NSA die Zusammenarbeit der deutschen und amerikanischen Geheimdienste belastet.
  • Der Generalbundesanwalt will den neuen Vorwürfen nachgehen.

Von Wolfgang Janisch und Robert Roßmann, Berlin/Karlsruhe

Die jüngsten Enthüllungen über die Abhörpraktiken des US-Geheimdienstes NSA haben auch die Bundesregierung alarmiert. Kanzleramtschef Peter Altmaier bat am Donnerstag US-Botschafter John B. Emerson zu einem Gespräch. Der Botschafter sollte sich dabei zu den neuen Vorwürfen erklären.

Die Enthüllungsplattform Wikileaks hatte am Mittwoch Dokumente veröffentlicht, die die Süddeutsche Zeitung vorab einsehen konnte. Aus ihnen geht hervor, dass nicht nur Bundeskanzlerin Angela Merkel, sondern auch mehrere Ministerien ausspioniert wurden. Zu den Zielen der National Security Agency (NSA) gehörten offenbar bereits seit den Neunzigerjahren das Wirtschafts-, das Finanz- und das Landwirtschaftsministerium.

Zusammenarbeit der Geheimdienste "belastet"

Regierungssprecher Steffen Seibert sagte, Altmaier habe dem Botschafter "deutlich gemacht, dass die Einhaltung deutschen Rechts unabdingbar ist und festgestellte Verstöße verfolgt werden". Die Regierung nehme die neuen Berichte über NSA-Spähangriffe "ernst". Durch "derartige wiederholte Vorgänge" werde die für die Sicherheit der Bürger unverzichtbare Zusammenarbeit der deutschen und amerikanischen Nachrichtendienste "belastet".

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Generalbundesanwalt Harald Range teilte mit, die Bundesanwaltschaft werde den neuen Informationen nachgehen und dabei auch die Ergebnisse der erst kürzlich eingestellten Ermittlungen im Zusammenhang mit dem Handy von Angela Merkel einbeziehen. Eine Entscheidung über die Wiederaufnahme der Ermittlungen sei damit "derzeit" aber noch nicht verbunden, erklärte die Behörde.

Die Bundesanwälte werden jetzt voraussichtlich erneut die zuständigen Behörden um Stellungnahmen bitten. Zu diesen gehören etwa der Bundesnachrichtendienst und das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik.

Das größte Problem für die Bundesanwälte dürfte es sein, die Authentizität der jetzt von Wikileaks veröffentlichten NSA-Dokumente zweifelsfrei festzustellen. Das ist auch deshalb keine ganz leichte Aufgabe, weil den Ermittlern vermutlich der Zugang zu der Quelle, von der die Dokumente stammen, verwehrt bleiben dürfte.

Dokumente könnten für Wiederaufnahme der Ermittlungen ausreichen

Für einen neuerlichen Anfangsverdacht - und damit für eine Wiederaufnahme der Ermittlungen - könnten die neuen Dokumente allerdings ausreichen. Denn die Aufklärung der Berichte über die Abhöraktion gegen Merkels Handy war unter anderem deshalb eingestellt worden, weil das zentrale Dokument mit der Mobilnummer der Kanzlerin für die Bundesanwälte nicht im Original greifbar war. Die Wikileaks-Dokumente dagegen sind sehr viel spezifischer und zudem zugänglich: Es handelt sich um eine umfangreiche Liste mit der genauen Angabe von mehr als 60 in den Ministerien überwachten Telefonnummern.

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Noch entscheidender ist jedoch, dass Wikileaks auch ein NSA-Dokument veröffentlicht hat, in dem ein Gespräch der Kanzlerin mit einer Mitarbeiterin oder einem Mitarbeiter ausführlich wiedergegeben wird. Dabei ging es um die Krise in Griechenland. Der Inhalt dieses Gesprächs kann nur schwerlich auf legalem Weg zur NSA gelangt sein.

© SZ vom 03.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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