Umkehrhypothek:Mit dem eigenen Haus die Rente aufbessern

Umkehrhypothek: Die Varianten sind vielfältig. Eine Zweitmeinung einzuholen, ist wichtig.

Die Varianten sind vielfältig. Eine Zweitmeinung einzuholen, ist wichtig.

(Foto: Imago)

Auch in Deutschland gibt es Modelle, wie Senioren ihr Eigenheim beleihen und zugleich darin wohnen bleiben können.

Von Berrit Gräber

Das Ausland macht es schon länger vor: Reicht das Geld im Alter nicht, können Senioren die eigene Immobilie beleihen statt verkaufen und damit ihre Rente aufbessern. "Eat your brick" wird das Modell etwa in den USA flapsig genannt: Mach deine Steine zu Barem, damit du im Lebensabend noch viel zu knabbern hast und lebenslang wohnen bleiben kannst. Nach ersten erfolglosen Anläufen einiger Banken und Privatanbieter ist das Seniorendarlehen auch in Deutschland wieder verstärkt auf dem Markt. Mal heißt das Produkt Umkehrhypothek, mal Immobilien- oder Hausplusrente. Als Variante wird auch eine Zustifter- oder Hausstifter-Rente angeboten. Die Nachfrage sei offenbar groß, sagt Merten Larisch, Altersvorsorgespezialist der Verbraucherzentrale Bayern. Die Verrentung sei aber in der Regel teuer erkauft und nicht für alle Ruheständler ratsam.

"Das Konzept spricht Menschen an, die im Alter unbedingt in ihrem eigenen Häuschen wohnen bleiben wollen, reich an Steinen, aber nicht flüssig sind, weil die Rente mager ist", hat Annabel Oelmann, Finanzexpertin der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen beobachtet. Gut eine Million Bürger zwischen 55 und 69 Jahren leben nach einer Untersuchung des Bundesverbands Öffentlicher Banken (VÖB) in Objekten mit einem Wert von mehr als 100 000 Euro, müssen aber zugleich mit unterdurchschnittlichen Renten auskommen. Trotzdem kommt für viele Eigentümer ein Verkauf nicht in Frage.

Hier setzen die Anbieter der Seniorendarlehen an. Die Grundidee der Rückwärts-Hypotheken ist immer ähnlich: Wer seine eigenen vier Wände beleiht, bekommt eine monatliche Rentenzahlung, steuerfrei, abhängig von Lebensalter, Immobilienwert und Zinssatz. Auch Einmalzahlungen sind möglich oder ein Mix aus beidem. Der Ruheständler bleibt Eigentümer und kann weiter mietfrei in seinem Haus oder in der Eigentumswohnung leben. Als Sicherheit dient eine verbriefte Grundschuld. Zinsen und Tilgung werden gestundet. Die Schuldenlast baut sich im Gegensatz zum normalen Baukredit Jahr für Jahr auf - deshalb Umkehrhypothek. Die Rückzahlung wird erst nach dem Tod oder bei Umzug ins Alters- oder Pflegeheim fällig. Dann geht die Immobilie in den Besitz des Käufers, also eines Kreditinstituts oder Versicherers, über. Sie wird verkauft und das Darlehen getilgt. Oder die Erben tilgen die Schulden und behalten das Haus.

In die Angebote sind einige Puffer eingebaut - falls der Kunde deutlich älter wird als erwartet

Experten halten die Immobilienrente prinzipiell für einen Zukunftsmarkt. Vor Jahren schätzte der VÖB das Potenzial des Kreditvolumens bereits auf mehr als 90,8 Milliarden Euro. Doch der Markt muss sich noch weiter entwickeln. "So, wie die deutschen standardisierten Angebote gestrickt sind, ist das auch gut so", sagt Verbraucherschützer Larisch. Die Verrentung habe einen hohen Preis. Denn: Die Risiken, die der Finanzierer bei dem Geschäft mit dem Ruheständler eingeht, lässt er sich in der Regel teuer bezahlen. In die Angebote sind jede Menge Puffer eingebaut, sollte der Kunde deutlich älter werden als erwartet. Und dass sich die Immobilie nach dessen Tod möglicherweise nicht so gut verwerten lässt wie geplant. Das Zinsrisiko ist ohnehin eingepreist.

Für den Immobilienrentner bedeutet das: Er bekommt immer eine wesentlich niedrigere Auszahlung als sich rein rechnerisch aus dem aktuellen Verkehrswert und seiner statistischen Lebenserwartung ergeben würde. "Der Gutachter, der die Immobilie taxiert, wird nicht den aktuellen Marktwert ansetzen, sondern deutlich weniger", erläutert Larisch. Wer eine eher unattraktive, womöglich noch belastete Immobilie auf dem Land besitzt und beleihen will, wird ohnehin kaum profitieren. Was die monatliche Rentenauszahlung zusätzlich drückt, sind die Nebenkosten. Kunden müssen die Gebühren für Gutachter, Bearbeitung, Notar und Grundschuldbestellung tragen, oft auch noch die Provision an den Vermittler.

"Dass das Produkt teuer und kompliziert ist, steht außer Frage", sagt Jörg Sahr, Immobilienexperte der Stiftung Warentest in Berlin. Was nach Abzug vieler Kosten herauskommt, ist häufig nur ein Plus zur Rente von 100 oder 200 Euro im Monat, selten deutlich mehr, wie Finanzexpertin Oelmann zu bedenken gibt. Außerdem sollten die Rentner vorher mit ihren Erben sprechen. Sonst kann es familienintern Probleme geben. Die Umkehrhypothek sei höchstens eine Option für kinderlose Hausbesitzer, die ihre schuldenfreie Immobilie in guter Lage auf keinen Fall aufgeben und mit dem monatlichen Zubrot noch mehr Liquidität haben wollten, sagt Oelmann.

Einen anderen Weg nach amerikanischem Vorbild beschreiten die Hausstifter-Rente der Caritas Krefeld oder die Zustifter-Rente der Stiftung Liebenau. Hier vermachen Rentner ihre Immobilie schon zu Lebzeiten bei Vertragsschluss an die gemeinnützigen Organisationen. Dafür bekommen sie ein lebenslanges Wohnrecht und eine Rente, die zusammen mit den ersparten Instandhaltungskosten bestenfalls höher ausfallen kann als bei einer Umkehrhypothek. Das Angebot der Caritas ist auf die Region Krefeld beschränkt.

Verbraucherschützer raten Interessenten dazu, Angebote auf Verrentung nicht vorschnell zu unterschreiben, sondern immer vergleichen und durchrechnen zu lassen. Am meisten dürfte sich aber folgende Alternative rechnen, betont Larisch: Das Haus in Eigenregie zum bestmöglichen Marktpreis verkaufen, sich eine neue, kleinere Immobilie zulegen oder mieten und einen möglichen Resterlös auf die hohe Kante legen. "Damit kommt ein Rentner in den Besitz seines eigentlichen Vermögens und kann sich oft ein richtig gutes Leben davon machen."

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