Riesige Rüstungsausgaben:Griechenlands kleiner "Kalter Krieg"

Griechisches Manöver

Manöver der griechischen Armee. Griechenland hat sich über Jahrzehnte einen Wettrüsten mit der Türkei geliefert.

(Foto: AFP)

Athen hat in den vergangenen Jahrzehnten ungeheuer viel Geld in Rüstung gesteckt, was zu den Schulden des Landes beigetragen hat. Profitiert haben deutsche Rüstungsfirmen.

Von Markus C. Schulte von Drach

Griechenland muss sparen. Nur: Wo? Wenn es um diese Frage geht, sind auch die Rüstungsausgaben des Landes ein wichtiges Thema. Seit Jahrzehnten investiert Athen in die Verteidigung immens viel Geld - deutlich mehr als die meisten anderen Nato-Mitglieder.

Seit Mitte der 70er Jahre lag der Anteil der Verteidigungsausgaben am Bruttoinlandsprodukt (BIP) zum Teil sogar auf dem Niveau der USA. Fast sechs Prozent waren es 1977. Und im Jahr 2009, zu Beginn der Krise, als der Schuldenberg der Griechen bereits auf mehr als 300 Milliarden Euro angestiegen war, investierten sie noch 7,6 Milliarden Euro (3,3 Prozent des BIP) in die Armee.

Die hohen Ausgaben rühren vor allem daher, dass Athen sich eine Armee leistet, die im Verhältnis zur Bevölkerungszahl riesig ist: 130 000 bis 140 000 Soldaten kommen auf etwa elf Millionen Griechen. Deutschland mit seinen etwa 81 Millionen Einwohnern verfügt lediglich über 40 000 Soldaten mehr. Eindrucksvoll ist auch der Unterschied bei den Kampfpanzern: Griechenland besitzt etwa 1400 bis 1600 oder mehr - je nachdem, wie viele der älteren Panzer mitgezählt werden, die zum Teil nicht einsatzbereit sind. Das Land kann mit etwa 350 Panzern vom Typ Leopard 2 sogar mehr moderne Panzer einsetzen als Deutschland, das in Zukunft auf 320 Panzer diesen Typs kommen will.

Interessant ist auch der Vergleich mit Portugal - beide Länder gehören zu Nato, haben in etwa gleich viele Einwohner und beide haben sich in den 1970er Jahren von Diktaturen zu Demokratien gewandelt. Seit der Nelkenrevolution 1974 sind Lissabons Investitionen in die Streitkräfte dramatisch gesunken. In Griechenland dagegen lagen die Ausgaben während der Herrschaft der Junta in Athen bis 1974 schon relativ hoch. Danach aber stiegen sie steil an.

Der Grund dafür ist ein kleiner "Kalter Krieg" zwischen Griechenland und der Türkei. Athen rechtfertigt seine militärische Rüstung mit der Bedrohung, die die ebenfalls sehr große Armee des Nachbarlandes Türkei insbesondere seit der Eskalation im Zypern-Konflikt darstellen soll.

1974 besetzten türkische Soldaten den Norden der Insel Zypern, nachdem von Athen unterstützte Putschisten die Regierung dort gestürzt hatten. Die Militärausgaben schossen auf beiden Seiten in die Höhe, bis ins neue Jahrtausend hinein lieferten sich die Nachbarn ihren eigenen, kostspieligen Rüstungswettlauf. Und das, obwohl beide in der Nato sind.

Riesige Rüstungsausgaben: Ein Panzer der türkischen Armee auf Zypern, Juli 1974

Ein Panzer der türkischen Armee auf Zypern, Juli 1974

(Foto: AP)

Die Situation hat sich seit der Zypernkrise Mitte der 90er zwar verbessert. Doch der Konflikt zwischen den Ländern ist noch lange nicht beigelegt. In den vergangenen Jahren hat Griechenland deshalb Milliarden ausgegeben, um neue Kriegsschiffe, Panzer, Hubschrauber und Kampfflugzeuge einzukaufen.

Besonders die deutsche Rüstungsindustrie konnte von Griechenlands Bedürfnis nach einer großen Armee profitieren, auch nach Beginn der Finanzkrise noch. Mehr als 30 Prozent seiner Rüstungsgüter bezieht Griechenland der Welt zufolge aus Deutschland, mit den USA ist das Land der wichtigste Lieferant von Waffen und Munition an Griechenland.

Vor zehn Jahren zum Beispiel hat das Land 170 Leopard-2-Panzer aus Deutschland bestellt, für 1,7 Milliarden Euro. Zum Vergleich: Die Kreditrate, die Griechenland jüngst nicht an den Internationalen Währungsfonds gezahlt hat, war mit 1,6 Milliarden Euro fast genauso hoch.

Allerdings ist bei den Waffengeschäften nicht immer alles mit rechten Dingen zugegangen. So musste etwa Ferrostaal eine Geldbuße von 140 Millionen Euro zahlen, weil bei den U-Boot-Geschäften 2000 bis 2002 Schmiergelder gezahlt worden waren. Die Firma Rheinmetall wurde zu einem Bußgeld von 37 Millionen Euro verurteilt wegen Bestechung beim Verkauf des Flugabwehrsystems Asrad 2000 bis 2003. Und auch beim Verkauf von Leopard-2-Panzern nach Griechenland waren griechische Amtsträger bestochen worden.

Im Rahmen des wirtschaftlichen Anpassungsprogrammes kürzte die Regierung die Rüstungsausgaben erheblich - bis 2014 auf etwa vier Milliarden Euro. Aber Angaben der Friedensforscher von Sipri zufolge waren das noch immer 2,2 Prozent des BIP. In Deutschland waren es in diesem Jahr lediglich 1,2 Prozent.

PARADE PANZER UND EVZONEN

Parade in Athen 2001 zum Jahrestag der Revolultion gegen die Türken 1821

(Foto: DPA/DPAWEB)

Die vorherige Regierung unter dem Konservativen Antonis Samaras hatte für 2015 eine Erhöhung des Militäretats um 250 Millionen Euro vorhergesehen. Nach dem Regierungswechsel soll nun wieder gespart werden. Etwa indem Kasernen geschlossen und alte Ausrüstung abgeschafft wird. Auf der anderen Seite hat der rechtspopulistische Verteidigungsminister Panos Kammenos erst Anfang des Jahres den Auftrag erteilt, eine Reihe von Militärflugzeugen für eine halbe Milliarde Euro zu modernisieren.

Neben der vielen Kritik bekommt Griechenland für seine Rüstungspolitik übrigens auch manchmal Lob aus dem Ausland: Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg forderte kürzlich sogar, dass Athen weiterhin mindestens zwei Prozent des BIP ins Militär investiert. Das nämlich ist die Quote, die eigentlich von allen Nato-Mitgliedern erwartet wird. Stoltenberg zufolge gehören die Rüstungsausgaben jedenfalls nicht zu den wichtigsten Gründen für die Krise in Griechenland.

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hat dem griechischen Regierungschef Alexis Tsipras eine Verringerung der Ausgaben um 400 Millionen Euro vorgeschlagen. Nur die Hälfte wollte Griechenland akzeptieren, nun hat der Fraktionssprecher der regierenden Syriza, Nikos Filis, der Süddeutschen Zeitung gesagt, es seien Kürzungen um 300 Millionen Euro möglich. Wo immer die Griechen sparen werden - die Armee wird nicht an erster Stelle stehen.

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