Grafing:Verwandte Seelen

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Anna und Constanze Schackow aus Grafing geben als Duo "Macore" ein Klezmerkonzert in der evangelischen Kirche ihrer Heimatstadt

Von Anja Blum, Grafing

Ihre Disziplin, die hat sie vom Eiskunstlaufen. Schon als kleines Mädchen stand Anna Schackow auf den Kufen, später schaffte sie es bis in den Landeskader. Doch dann kam es zum großen Krach mit der Trainerin, alles war von einem Moment auf den anderen vorbei. "Da habe ich mir dann etwas anderes gesucht, in das ich mich voll reinhängen kann", sagt die 19-Jährige und lacht. Fündig wurde sie in der Musik.

Denn die war neben dem Eiskunstlauf schon immer Anna Schakows zweite Leidenschaft, in die Wiege gelegt von der Mutter, Constanze Schackow. Sie ist Pianistin, als Anna zur Welt kam, studierte sie noch und musste dementsprechend viel üben. "Ich habe das geliebt, vor allem abends, wenn sie uns in den Schlaf gespielt hat, zum Beispiel mit "Iberia", dieser wundervollen Suite von Albéniz", erinnert sich die erwachsene Tochter. Bei der kleinen Anna fing es an mit Tanzen, "vor allem zu Klezmer-Stücken", sagt sie, die sie unter anderem vom damaligen Trio der Mutter hörte. Mit sechs Jahren lernte das Mädchen Flöte, mit neun erhielt es seinen ersten Klarinettenunterricht. Und Anna Schackows Disziplin zahlte sich auch hier aus: Zwei Mal schon, 2012 und 2015, gewann sie im Bundeswettbewerb von "Jugend musiziert". Im Herbst wird sie ein Klarinetten-Studium in Hamburg beginnen.

Doch die Klassik ist nur die eine Hälfte von Anna Schackows musikalischer Welt, die andere, für die sie wirklich schwärmt, heißt nach wie vor Klezmer. "Das ist die Musik der Seele", erklärt die Klarinettistin, "da kann man jedem Stück seinen eigenen Charakter geben, sich selbst wirklich ausdrücken". Die Sphäre der Klassik ist der 19-Jährigen oftmals "zu steif und stumpf", weswegen sie auch zunächst Architektur anstatt Musik studieren wollte. "Das hatte ich mir selbst ausgeredet." Doch dann bekam sie von den Eltern zum 18. Geburtstag eine Meisterklassen-Begegnung mit Giora Feidman, geschenkt, die in mehreren gemeinsamen Konzerten gipfelte - so begeistert war der Altmeister des Klezmer von Anna Schackows Spiel. Und sie selbst fand ihre Begeisterung für klassische Musik wieder. Danach bereitete sie sich mit der Mama auf die Aufnahmeprüfungen an vier Musikhochschulen vor.

Intensive Beziehung: Mutter und Tochter, Constanze und Anna Schackow aus Grafing, geben zusammen ein Klezmer-Konzert. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Wer nun allerdings meint, bei der Entscheidung werde die Pianistin wohl schon gehörig die Finger im Spiel gehabt haben, liegt weit daneben. "Anna hat viel von ihrem Vater und ging schon früh ihre eigenen Wege", sagt Constanze Schackow und lacht. Die Tochter nickt: "Sie hat uns immer viel Freiraum gelassen und nie zum Üben gezwungen - sondern einfach ein Leben voller Musik vorgelebt." Im Keller der sechsköpfigen Familie steht der Flügel der Mama, daneben Drumset und Marimbaphon des Sohns und an der Wand lehnt die Bratsche des Vaters. Die älteste Tochter ist im Metal-Fach gelandet, die jüngste noch keine zwei Jahre alt.

Anna und Constanze Schackow sind seit einiger Zeit außerdem noch mehr als Mutter und Tochter, ein eingespieltes Duo nämlich. Unter dem Namen Macore, abgeleitet von dem hebräischen Wort für "Quelle, Ursprung", feiern sie gemeinsam den Klezmer. "Auf dieser Ebene haben wir die befruchtende Beziehung zweier musikalischer Partner auf Augenhöhe", sagt die Mama. So komponieren sie sogar zusammen Stücke, wobei die Klarinettistin mehr für die Melodien zuständig ist, die Pianistin eher fürs Arrangement. "Ich bringe Ordnung ins Chaos", sagt Constanze Schackow - "ins gewollte Chaos!", schiebt die Tochter hinterher. Sie sei schließlich ein Fan von krummen Rhythmen.

"Wenn ich spiele, bin ich wie in Trance", sagt die Klarinettistin Anna Schackow, hier als Newcomer beim Klezmer-Festival in Fürth. (Foto: Hans Winckler)

Sein offizielles Debüt gefeiert hat das Mutter-Tochter-Duo vor zwei Jahren beim internationalen Klezmer-Festival in Fürth. Eine Kritikerin bescheinigte Macore danach beeindruckendes Niveau und Leidenschaft: Anna Schackow sein eine "Newcomerin mit spürbarem Frische-Kick". Wer sich davon selbst überzeugen will, hat dazu am Freitag, 10. Juli, um 20 Uhr in der evangelischen Kirche in Grafing ausgiebig Gelegenheit: Dort nämlich gibt Macore ein Benefizkonzert zugunsten der Erdbebenhilfe in Nepal. Der erste Teil des Abends ist laut den Musikerinnen den Ursprüngen des Klezmer und der Weltmusik gewidmet, im zweiten präsentieren sie eigene Stücke, die jedoch auch an traditionellen Tänzen orientiert seien. "Mir fällt fast jeden Tag eine schöne Melodie ein", sagt Anna Schackow, "das ist eigentlich viel zu viel." Vielleicht wird es ein bisschen weniger, wenn das Studium in Hamburg beginnt, aber mit dem Klezmer-Duo aufhören will die Klarinettistin auf keinen Fall. "Es ist so ein Gefühl von Freiheit, mit meiner Mama zu spielen, das will ich nie vermissen."

"Macore": Klezmer-Konzert von Anna und Constanze Schackow, am Freitag, 10. Juli, um 20 Uhr in der evangelischen Kirche Grafing.

© SZ vom 09.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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