"Die Eisläuferin" mit Iris Berben auf Arte:Kanzlerin mit Gedächtnisschaden

Iris Berben in "Die Eisläuferin", Arte

Der Blazer sitzt - die Merkel-Raute auch: Iris Berben als Kanzlerin in "Die Eisläuferin".

(Foto: © NDR/real film/Stephan Rabold)

Iris Berben erinnert als Kanzlerin verdächtig an Angela Merkel. In "Die Eisläuferin" verliert sie ihr Gedächtnis. Nicht das einzige Problem dieses Fernsehfilms.

Von Evelyn Roll

Wie macht man das als deutsche Schauspielerin, wenn man Kanzlerin sein soll? Veronica Ferres zum Beispiel löste diese herausfordernde Aufgabe, indem sie als Kanzlerin Anna Bremer in Die Staatsaffäre ihren schönen Körper in einen Hosenanzug packte und dazu unter ihrem Busen mit beiden Händen ein weltbekanntes Viereck formte. Katharina Thalbach als Angela Murkel griff in Der Minister zu den bunten Blazern, zog leicht berlinernd die Schultern hoch und machte: die Merkel-Raute, diesmal in Bauchnabelhöhe.

Und jetzt also Iris Berben erstaunlich und überraschend merkelhaft mit der Kanzlerin-Perücke von Udo Walz. Ohne hochgezogene Schultern, in königlich aufrechter Iris-Berben-Haltung, mit Hosenanzügen, die weitaus teurer und eleganter aussehen als die der Kanzlerin. In einer prächtigen Dienstvilla, in der unsere echte Kanzlerin ja gar nicht wohnt, dafür und natürlich und selbstverständlich, sonst versteht es ja doch wieder kein Mensch: mit Merkel-Raute. Im Sitzen.

Sommer 2015. Die Kanzlerin sitzt mit Ehemann Helmuth und Raute im Ruderboot. Offensichtlich sind die beiden auf der Flucht vor dem Regierungsalltag und einer schweren Ehekrise. Irgendwie scheint jedenfalls sie vor den Securities von Kanzleramt und Wochenend-Datsche ausgebüxt und er (hinreißend, treu ergeben, aber eigenwillig und klug gespielt von Ulrich Noethen) wild entschlossen, aber auch ein bisschen aufgeregt zu sein.

"Die Mauer muss weg"

Er rudert also und ist aufgeregt. Sie ist cool mit Merkel-Raute im Schoß und sagt: "Wenn du noch ein bisschen lauter ruderst, kann ich gleich 'ne Pressekonferenz geben."

Die Flucht gelingt. Auch der Fahrer des öffentlichen Busunternehmens erkennt seine Kanzlerin nur beinahe. Aber dann geschieht auf dem Bahnhof von Mecklow (!) das die eigentliche Geschichte auslösende Unglück. Als die Bundeskanzlerin Stachelbeeren kauft, fällt ihr das Bahnhofsschild mit der scharfen Kante auf den Kopf. Sie verliert erst und vorübergehend das Bewusstsein und dann, für länger und möglicherweise für immer jede Erinnerung an die letzten fünfundzwanzig Jahre. Also wacht sie jeden Morgen auf mit dem Satz "Die Mauer muss weg" und dem Gedanken, mein Helmuth sieht aber alt aus.

Die Eisläuferin

Königlich aufrecht und mit Perücke gleitet Iris Berben als Bundeskanzlerin Katharina Wendt übers Eis.

(Foto: ARTE/NDR/real film/Stephan Rab)

Die Flucht, der Unfall und der Erinnerungsverlust müssen zur Vermeidung von diplomatischen Welt-Verwicklungen und innerdeutschem Machtverlust vorerst geheim gehalten werden. Darüber ist sich der Ehemann schnell einig mit dem Kanzleramtsminister Dieter Kahnitz (Thomas Thieme, für den allein sich das Einschalten ja bei jedem Fernsehfilm lohnt).

Kochen, Riechen, Varoufakis-Motorrad-Fahren

Die beiden setzen die Chefin Tag für Tag neu ins Bild und auf die Kanzlerin-Schiene. Außerdem holen sie aus Russland den berühmten Gedächtnisheiler Dr. Ivantschuk (Sascha Alexander Gersak). Der versucht, die emotionalen Seiten der Kanzlerin zu triggern - Kochen, Riechen, Varoufakis-Motorrad-Fahren - und so ihre Erinnerungen zurückzuholen. Der Plan funktioniert - allerdings mit Nebenwirkungen und Verwicklungen, die jetzt nicht verraten werden dürfen.

Nur so viel: Naturgemäß ist so ein Kanzleramtsminister allzeit bereit, das Amt zu übernehmen, wenn es denn unbedingt sein muss. So geht es nun einmal zu im Sandkasten der Politik.

Es ging bei dieser Produktion darum, das lustige, satirische und nur ein ganz kleines bisschen bei Good Bye, Lenin! geklaute Buch Die Eisläuferin von Katharina Münk, das es übrigens wunderbar gesprochen von Maren Kroymann als Audio-Buch gibt, in eine Filmerzählung zu verwandeln.

Die deutsche TV-Komödie ist ein trauriges Genre

Leider ist eine geschriebene Satire aber etwas vollkommen anderes als eine deutsche TV-Komödie. Die deutsche TV-Komödie ist ein trauriges Genre, dessen Existenz man sich nur aus einer den Zuschauer für komplett zu blöd denkenden Haltung deutscher Fernsehschaffender erklären kann, einer der Politik übrigens gar nicht so unähnlichen: Die Menschen da draußen vor den Fernsehern brauchen das ein wenig schlichter und comedyhafter, die wollen das so, die verstehen das sonst nicht, die wählen uns sonst nicht wieder.

Wahrscheinlich sitzt schon längst jemand an der Doktorarbeit, die uns erklären wird, warum Erzählen im deutschen Fernsehen fast nur so geht: als TV-Komödie, oder als Krimi. Jedenfalls verführt dieses Komödien-Missverständnis den Regisseur Markus Imboden auch in diesem Fall dazu, den eigentlich witzigen, parabeltauglichen Plot nicht wirklich ernst zu nehmen und sich immerzu davon zu distanzieren oder Slapsticks einzubauen, bei denen auch gerne mal zwei Männer gleichzeitig aus der Tür gehen wollen und natürlich zusammen stoßen wie schon immer bei Dick und Doof.

Mit diesen Schauspielern bleibt man dran

Und trotzdem, und sogar, wenn man den Daumen schon auf der Off-Taste der Fernbedienung hat, weil man wirklich kein Liebhaber dieser deutschen TV-Komödien ist: Mit diesen Schauspielern bleibt man natürlich dran. Und das lohnt sich auch: Die Kamera ist wunderbar, einige Dialoge sind wirklich witzig. Und für Berlin-Liebhaber gibt es noch eine ganz besondere Zugabe: Das Innere des Kanzleramts wurde offensichtlich im Krematorium Nord gedreht, dessen Interieur mit seinem Schleuderbeton und den porschetürkisen Türen und Armaturen ja tatsächlich wie das Innere des Kanzleramts aussieht, weil Architekt Axel Schultes zweimal mit den gleichen Förmchen gebaut hat.

Veronica Ferres, Katharina Thalbach, Iris Berben also. Wenn Inge Meysel noch leben würde, hätte man ihr bestimmt längst auch die Rolle als Bundeskanzlerin "Mutti" angeboten. Hier schon mal die Ausgangssituation, muss nicht unbedingt eine Komödie werden, ginge auch als Drama: Sommer 2025. Dorothea Merkmal sitzt mit ihrer Beraterin Eva Bauherr im Kanzler-Zimmer und blickt grimmig-gelangweilt über Berlin. Sie regiert jetzt seit 20 Jahren und ist es eigentlich schon so lange leid. Dem Volk aber ist leider vor vielen Jahren am Bahnhof Mecklow offenbar etwas auf den Kopf gefallen. Es hat deswegen vergessen, seine Kanzlerin abzuwählen.

Die Eisläuferin, Arte, 20.15 Uhr.

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