Entwicklungsländer:Abschied von der "Dritten Welt"

"Die Zeit, die Welt in Geber und Nehmer zu teilen, ist vorbei." Entwicklungsminister Gerd Müller verlangt eine Überwindung der alten Aufteilung der Welt in Nord und Süd.

Von Michael Bauchmüller, Berlin

Minister und Diplomaten aus aller Welt wollen von diesem Montag an einen neuen Rahmen für die globale Entwicklungsfinanzierung abstecken. Eine viertägigen Konferenz im äthiopischen Addis Abeba soll klären, wie sich die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen finanzieren lassen. Sie sollen im September in New York verabredet werden und treten an die Stelle der bisherigen "Millenniums-Ziele".

Kurz vor Beginn der Konferenz verlangte Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) eine Überwindung der alten Aufteilung der Welt in Nord und Süd. Die Übereinkunft von Addis Abeba müsse dafür sorgen, "dass es keine Erste, Zweite und Dritte Welt mehr gibt", sagte Müller der Süddeutschen Zeitung. Auch Entwicklungsländer müssten in die Lage versetzt werden, Verantwortung für die eigene Entwicklung zu übernehmen. "Die Zeit, die Welt in Geber und Nehmer zu teilen, ist vorbei." Dazu wolle Deutschland unter anderem in einem "Early-mover-Programm" Staaten unterstützen, "die sich sehr schnell und mit großem Engagement an die Umsetzung der neuen Entwicklungsziele machen", kündigte der Minister an.

Müller selbst wird an diesem Montag an den Gesprächen teilnehmen. Sie sollen klären, wie sich neben staatlicher Entwicklungshilfe auch verstärkt privates Geld mobilisieren lässt. Zudem geht es um die Frage, wie sich die Steuerverwaltung in Entwicklungsländern verbessern lässt, sodass den Staaten weniger Einnahmen durch Steuerflucht entgehen. Nötig sei ein "automatischer internationaler Datenaustausch zwischen den Finanzverwaltungen", forderte Müller. Nur so ließen sich "legale und illegale Schlupflöcher" schließen.

Allerdings sind zu Beginn des Treffens noch viele Fragen umstritten. Vorbereitungsrunden, die eigentlich schon einen weitgehend fertigen Verhandlungstext abliefern sollten, endeten ohne Ergebnisse. "Was da rauskommt, ist noch offen", sagt Klaus Schilder, der für das katholische Hilfswerk Misereor die Konferenz verfolgt. "Aber schon jetzt ist klar, dass wir ambitioniertere Ergebnisse hätten haben können." In vielen Bereichen, etwa bei der Einbeziehung privaten Kapitals, seien die Vorgaben im Laufe der Verhandlungen immer weiter abgeschwächt worden. Die Beteiligung der Privatwirtschaft ist bei Entwicklungsgruppen umstritten, weil Unternehmen in der Regel eher Gewinn- als Entwicklungsinteressen verfolgten.

Unklar ist auch, ob sich die Staaten darauf verständigen können, Hilfe in Höhe von mindestens 0,2 Prozent ihrer Wirtschaftskraft an die ärmsten Länder auszureichen. Derzeit fließt der größere Teil der Entwicklungshilfe in Staaten, die bei der Entwicklung schon Fortschritte gemacht haben. Die deutsche Hilfe für die Allerärmsten etwa entspricht nur 0,09 Prozent seiner Wirtschaftsleistung. "Deutschland muss seine Anstrengungen verdoppeln", fordert auch Tobias Kahler, Deutschland-Chef der Entwicklungsorganisation One. Anders lasse sich die extreme Armut nicht, wie angestrebt, bis 2030 beenden.

Es ist eines von 17 Nachhaltigkeitszielen, denen sich die UN im September verschreiben wollen. Anders als die Millenniums-Ziele machen sie auch Vorgaben für Industriestaaten, etwa für den sorgsamen Umgang mit Ressourcen. Zudem schreiben sie einige der Millenniums-Ziele fort - längst nicht alle sind erreicht. Mit der Konferenz in Äthiopien werde es nun ernst, sagte Müller, schließlich höre beim Geld gewöhnlich die Freundschaft auf. "Wenn wir uns an dieser Stelle also nicht zerstreiten, dann haben wir ein gutes Fundament."

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