Flughafen München:Wie Gegner und Befürworter auf das Startbahn-Urteil reagieren

Keine Tricks beim Bau der dritten Startbahn

Ein Flugzeug startet vom Flughafen München, im Hintergrund sind der Tower und ein Terminal zu sehen.

(Foto: dpa)

Der juristische Kampf ist beendet - zugunsten der dritten Startbahn am Flughafen München. Während die Befürworter nun Bayerns Zukunft gerettet sehen, geben sich die Gegner kämpferisch.

Juristisch steht dem Bau der dritten Startbahn am Flughafen München nichts mehr entgegen: Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat auch die letzten Beschwerden von Anwohnern und Mitgliedern des Bundes Naturschutz zurückgewiesen.

Erst im März hatten Stadt und Landkreis Freising sowie mehrere Gemeinden eine juristische Niederlage erlitten: Sie wollten erreichen, dass das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes (VGH) vom 19. Februar 2014 höchstrichterlich überprüft wird - ihre Klagen wurden vom Bundesverwaltungsgericht Leipzig zurückgewiesen. Das heutige Urteil bedeutet das endgültige Scheitern der Gegner auf juristischer Ebene.

Wie geht es nun politisch weiter?

Was die Staatsregierung anstrebt, ist kein Geheimnis: Sie will den Bau der dritten Startbahn nun möglichst schnell festzurren, am besten noch in diesem Jahr - auch um das Thema aus dem Landtagswahlkampf im Jahr 2018 herauszuhalten.

Finanzminister Markus Söder sagte der SZ, der Freistaat betrachte mit der Entscheidung aus Leipzig den Rechtsweg gegen die Startbahn als abgeschlossen. Die Staatsregierung habe stets zugesichert, auf den Beschluss zu warten. Andere Instanzen könnten nun keine aufschiebende Wirkung mehr haben. "Es gibt jetzt kein Zuwarten mehr, die Frage ist für uns rechtlich geklärt", sagt der Finanzminister.

Söder sprach sich klar für einen Bau der Startbahn aus: "Das ist das größte und wichtigste Infrastrukturprojekt." Auch für die wirtschaftliche Zukunft Münchens habe die Startbahn entscheidende Bedeutung. Mit der Stadt werde es nun einen Dialog "ohne Tricks" geben, kündigte Söder an. "Es bleibt bei einer fairen Partnerschaft unter den Gesellschaftern."

Zusammen mit Vertretern des Flughafens dürfte die Staatsregierung das Urteil nun nutzen, um den politischen Druck auf die Stadt München zu erhöhen. Diese hält sich nach wie vor an das Veto, das ihr der Bürgerentscheid aus dem Sommer 2012 auferlegt hat, und blockiert in der Gesellschafterversammlung den Bau des 1,3-Milliarden-Euro-Projekts.

Der Münchner Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) will die Bürger der Landeshauptstadt vorerst nicht erneut zur dritten Startbahn am Flughafen befragen. "Dazu müssten sich die Rahmenbedingungen wie die Anzahl der Starts und Landungen grundlegend und dauerhaft ändern", sagte er am Mittwoch. "Das sehe ich derzeit nicht." Die endgültige richterliche Genehmigung für die dritte Piste ändere nichts daran, dass die Landeshauptstadt dem Bau nur dann zustimmen werde, wenn sich ihre Bürgerinnen und Bürger in einem neuen Bürgerentscheid mehrheitlich dafür aussprechen sollten, sagte Reiter.

Was bedeutet das Urteil für die Befürworter?

Genau zu diesen Zahlen haben die Startbahn-Befürworter um Flughafenchef Michael Kerkloh in der vergangenen Woche eine erfreuliche Nachricht bekommen: Nach drei Jahren des Rückgangs sind die Flugbewegungszahlen im ersten Halbjahr 2015 erstmals wieder leicht angestiegen. Die Befürworter hoffen nun auf mehr Zustimmung für ihr Anliegen - schließlich haben die Gegner bislang auch damit argumentiert, dass kein Bedarf da sei.

"Deutschland und Bayern brauchen diese zusätzlichen Kapazitäten. Sonst werden wir mittelfristig von wichtigen Verkehrsströmen abgeschnitten. Ich sage deshalb als bayerischer Verkehrsminister deutlich: Ich stehe zum Flughafen München und zur 3. Startbahn" sagt Bayerns Verkehrsminister Joachim Herrmann. Er sieht im Urteil eine weitere Bestätigung des fachlichen und rechtmäßigen Handelns der Regierung von Oberbayern. Auch Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) kündigte Gespräche mit der Landeshauptstadt München als Miteigentümerin des Airports an.

Die Lufthansa und der Flughafen München begrüßen den Ausbau klar. Mit dem Ausbau des Münchner Flughafens als Bayerns Tor zur Welt sei eine der wesentlichen Voraussetzungen für langfristige Wachstumsperspektiven der Lufthansa und eine verbesserte internationale Anbindung Münchens und des Freistaates Bayern gegeben. Rückendeckung gab es auch aus der Wirtschaft. Bertram Brossardt von der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (vbw) sagte:"Wir gehen jetzt davon aus, dass die politisch Verantwortlichen auf allen Ebenen die Voraussetzungen für einen zügigen Baubeginn schaffen."

Im nunmehr bestandskräftigen Planfeststellungsbeschluss der Regierung von Oberbayern wurde eine 4000 Meter lange und 60 Meter breite Start- und Landebahn mit entsprechenden Rollbahnen, Vorfeldflächen und Nebeneinrichtungen genehmigt. Durch die zusätzliche Start- und Landebahn kann die Kapazität des Flughafens von 90 um etwa ein Drittel auf 120 Starts und Landungen je Stunde erhöht werden.

Was sagen die Gegner des Ausbaus?

Helmut Binner, Sprecher des Anti-Startbahn-Bündnisses "Aufgemuckt" ist maßlos enttäuscht über die Entscheidung. Aufhören zu kämpfen will er aber nicht: "Dennoch sage ich, wir sind in einer guten Ausgangslage, denn wir haben ja den Münchner Bürgerentscheid."

Auch die Klägerseite macht ihrem Frust über den Leipziger Beschluss Luft. Christine Margraf, Sprecherin des Bund Naturschutz, ist nach wie vor davon überzeugt, dass es eine dritte Startbahn nicht braucht. "Die Bedarfsplanung für die dritte Startbahn war einfach grottenschlecht, niemand braucht die Startbahn, außer vielleicht die Lufthansa, die wird einfach durch gewunken." Aber es sei noch nicht aller Tage Abend, und Privatkläger könnten Verfassungsbeschwerde in Karlsruhe einlegen.

In Freising gibt man sich nach dem Urteil ebenfalls kämpferisch: "Das war uns klar, dass die Entscheidung für oder gegen eine Dritte Startbahn nur politisch erfolgen kann. Deshalb werden wir uns weiter stark positionieren und unseren Widerstand nicht aufgeben", sagt Susanne Günther, Sprecherin der Grünen in Freising. Auch Markus Grill, Vorsitzender der SPD in Freising, sagt: "Wir können dem Wort des Münchner Oberbürgermeisters Dieter Reiter vertrauen. Der Bürgerentscheid steht."

Interaktive Flughafengrafik

Eine interaktive Grafik zu den Plänen für die dritte Starbahn aus dem Jahr 2012 finden Sie hier.

Oberbürgermeister Tobias Eschenbacher von der Freisinger Mitte reagierte ebenfalls enttäuscht über das Urteil: "Für die Verantwortlichen der Stadt Freising und ihre Bürgerinnen und Bürger ist die Ablehnung der Nichtzulassungsbeschwerden nicht nachvollziehbar!" Ohne Kenntnis der detaillierten Begründungen könne die Entscheidung zunächst kaum kommentiert werden."Gemeinsam mit der Schutzgemeinschaft werden wir nach Vorlage der gerichtlichen Begründung aber intensiv prüfen, ob und wie die Privat- und Musterkläger bei einem Gang zum Bundesverfassungsgericht unterstützen können." Für die Stadt Freising selbst bleibe daneben in jedem Fall der politische Weg.

Beide fordern den CSU-Stimmkreisabgeordneten Florian Herrmann auf, in dieser wichtigen Sache endlich etwas für Freising zu bewegen. Hierfür wäre ihm die ganze Bevölkerung dankbar, sind die beiden überzeugt: "Herr Herrmann, wenn Ihnen Ihre Region wirklich am Herzen liegt, stellen Sie sich öffentlich und vor allem innerhalb Ihrer Partei deutlich gegen den Bau einer Dritten Startbahn."

Die Grünen im Landtag wollen sich mit dem Urteil ebenfalls nicht zufrieden geben: "Auch nach diesem Gerichtsentscheid werden keine Baumaschinen im Erdinger Moos anrücken. Seit dem Jahr 2008 befindet sich der Flughafen München in einem beispiellosen Sinkflug, was die Zahl der Flugbewegungen angeht", sagt Christian Magerl, der umweltpolitische Sprecher der Partei.

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