Fitness:Todesursache: Wassertrinken

Runners pass plastic cups on ground at a drinks station as they compete in the 41st Berlin marathon

Leere Getränkebecher säumen den Weg der Läufer: Trinken ist wichtig, aber nicht in Massen.

(Foto: REUTERS)

Ein junger Mann stirbt beim Ironman. Kein Einzelfall. Immer wieder gibt es Zwischenfälle, die zeigen: Der Mensch kann sich auch mit eigentlich gesunden Erfrischungen zu Tode trinken.

Von Berit Uhlmann

Hinter der Ziellinie kollabierte der Mann. Er verlor das Bewusstsein, bekam Krämpfe, drei Tage später starb er an einem Hirnödem. Er hatte bei Temperaturen um 35 Grad am Ironman in Frankfurt teilgenommen, doch nicht die Hitze war für seinen Tod verantwortlich. Der 30-Jährige hatte offenbar zu viel Wasser getrunken - und ist damit keine Ausnahme. Seit 1981 sind mindestens 14 Fälle dokumentiert, die zu der Erkenntnis führen: Man kann sich mit Wasser zu Tode trinken.

Wird der Körper mit Wasser überschwemmt, reicht die Salzkonzentration nicht mehr aus, um die Verteilung der Flüssigkeit zu regeln. Der Natriummangel im Blut lässt Wasser in die Zellen strömen und sie anschwellen. Im Hirn kann die Schwellung die Blutzufuhr behindern und zum Tode führen. In milderen Fällen kommt es zu Schwindel, Kopfschmerzen, Erbrechen, Verwirrtheit oder Krämpfen; bis zu einem Prozent aller Langstreckenläufer erleiden derartige Symptome.

Forscher um Mitchell Rosner berichten im Fachblatt Clinical Journal of Sport Medicine, dass nicht nur Extremsportler exzessiv trinken. Im vergangenen Jahr starb ein 17-Jähriger. Er soll beim Football-Training mehr als zehn Liter Flüssigkeit geschluckt haben. Selbst die Teilnehmerin einer Yoga-Sitzung schaffte es, sich in die Hyponatriämie zu trinken.

Freizeitsportler überfordern ihren Körper in dem Irrglauben, dass zur Fitness die fortwährende Flüssigkeitszufuhr gehöre. Durch den Genuss von angereicherten Sportgetränken wähnen sie sich auf der sicheren Seite. Als britische Forscher Teilnehmer des London-Marathons befragten, hatten zwölf Prozent einen Trinkplan, mit dem sie eine Hyponatriämie riskierten. 65 Prozent wussten kaum von der Gefahr des übermäßigen Trinkens. Nur jeder Vierte ließ sich vom Durst leiten.

Das Team um Rosner plädiert dafür, wieder auf das Durstgefühl zu hören. Die lange verbreitete Botschaft zu trinken, bevor der Durst kommt, habe die irrige Vorstellung befördert, dass das natürliche Trinkbedürfnis ein schlechter Ratgeber sei und damit den gefährlichen Überkonsum befeuert, so die Forscher. Tatsächlich werde niemand, der seinem Durst folgt, eine bedeutsame Dehydrierung erleiden. Und selbst eine leichte Austrocknung - entsprechend einem Verlust von zwei bis drei Prozent des Körpergewichts - könne der Organismus problemlos verkraften.

Dagegen gebe es keinen Nachweis, dass aggressive Wasserzufuhr die Gesundheit oder Leistungskraft stärke. Das gilt auch für isotonische Getränke. "Sie enthalten kleinere Mengen Salz, die das Risiko einer Hyponatriämie geringfügig senken können, doch sie bestehen noch immer überwiegend aus Wasser", so Rosner. In Massen konsumiert hebt die Flüssigkeit die Wirkung der Mineralien auf. Nierenspezialist Rosner schlägt vor, Waagen an Sportplätzen aufzustellen. Wenn die Athleten schon nicht ihrem Körper vertrauen, überzeugt sie womöglich ein Blick auf die Anzeige, dass sie genug Wasser intus haben.

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