Völkermord-Prozess:"Ein Warlord, mitten in Mannheim"

Ruanda-Prozess

Mit Krawatte, in Handschellen: der Angeklagte Straton Musoni.

(Foto: Bernd Weißbrod/dpa)

Der Generalbundesanwalt fordert lange Haftstrafen für zwei Männer, denen er Massaker in Ruanda zurechnet.

Von Josef Kelnberger, Stuttgart

Im Namen der universellen Menschenrechte. Im Namen der Menschheit. Oberstaatsanwalt Christian Ritscher legte zu Beginn seines Plädoyers den ganz großen Maßstab an und schlug gleich den Bogen von Stuttgart nach Nürnberg, zu den Kriegsverbrecherprozessen 1945/46. Man sei nur ein Rädchen im Getriebe gewesen, auch die andere Seite habe Verbrechen begangen, der ganze Prozess sei Unrecht - die Verteidigungsstrategien seien immer noch die gleichen, sagte Ritscher. Das war seine erste Attacke auf die Angeklagten, zugleich auf deren Verteidigung, der er im Laufe seines Plädoyers mal "Geschichtsrevisionismus", mal "Verfahrens-Sabotage" vorwarf. Die Abrechnung hatte begonnen, am 314. Verhandlungstag, mehr als vier Jahre nach Prozessbeginn am Oberlandesgericht Stuttgart.

Am Ende forderte Ritscher als Vertreter des Generalbundesanwalts lebenslange Haft für den Hauptangeklagten Ignace Murwanashyaka, 52. Die Vorwürfe: Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Rädelsführerschaft in einer terroristischen Vereinigung. Als Präsident der Hutu-Miliz FDLR ("Demokratische Kräfte zur Befreiung Ruandas") seien ihm deren Gräueltaten im Kongo zuzurechnen, "als habe er sie selbst begangen". Sein Stellvertreter, Straton Musoni, 54, soll wegen Rädelsführerschaft in einer terroristischen Vereinigung für zwölf Jahre hinter Gitter. Beide sollen von Baden-Württemberg aus die FDLR gelenkt haben, der eine von Mannheim, der andere von Nürtingen. Demnächst wird die Verteidigung plädieren, im September wird der Vorsitzende Richter Jürgen Hettich das Urteil sprechen. Dann wird man besser beurteilen können, ob der Prozess wirklich den Rahmen füllt, den die Generalbundesanwaltschaft aufgespannt hat.

Es geht zweifellos um abscheuliche Taten. Zu den Kämpfern der FDLR zählen auch in hohen Funktionen Hutu, die bereits 1994 in Ruanda am Genozid an den Tutsi beteiligt waren. Bis zu einer Million Menschen sollen damals massakriert worden sein. Aus Ruanda vertrieben, gruppierten sich die Hutu-Milizen in den Kivu-Provinzen des östlichen Kongo neu, im Jahr 2000 wurde die FDLR gegründet. Sie lebte auf Kosten der Zivilisten, kämpfte mal mit der Armee des Kongo, mal gegen sie für ihr Ziel, die Macht in Ruanda zu übernehmen.

Im Kampf gegen feindliche Milizen wahllos auch Zivilisten zu töten, Frauen und Mädchen zu vergewaltigen sowie zu plündern, gehörte laut Anklage zur Strategie des FDLR. Und gesteuert wurde das ganze angeblich von Deutschland aus. War es da nicht höchste Zeit, gegen Murwanashyaka und Musoni vorzugehen?

Oberstaatsanwalt Ritscher reiste nach Afrika, um Zeugen zu suchen. Und er erhob Anklage nach dem Völkerstrafgesetzbuch, das in Deutschland seit dem Jahr 2002 gilt und zurückgeht auf die Gründung des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag. Auch die nationale Gerichtsbarkeit kann damit, unabhängig vom Ort des Geschehens, Kriegsverbrecher anklagen. Dies ist nun der erste Fall unter dem Völkerstrafgesetzbuch - und leider hat er einen sehr umstrittenen Verlauf genommen.

Mehr als ein Dutzend Massaker aus den Jahren 2008 und 2009 waren angeklagt, zuletzt beschränkte man sich auf fünf. Zu schwierig war die Zeugeneinvernahme, manche wurden per Video zugeschaltet, manche sagten anonymisiert aus. Die Verteidigung sprach von "Geheimprozess" und klagte, die Aussagen seien unzuverlässig und nicht verwertbar. Man stritt endlos über die Übersetzung von Aussagen, von Mails und SMS. Wegen einer wahren Flut von Beweis- und Befangenheitsanträgen der Verteidigung zog sich der Prozess schier endlos hin.

Klar ist, dass die beiden Angeklagten, die seit den Achtzigerjahren in Deutschland leben, keine Verbrechen angeordnet haben. Aber stehen sie wirklich in der "Vorgesetztenverantwortlichkeit" für die Taten, ist Ignace Murwanashyaka "ein Warlord, mitten in Mannheim", wie Ritscher ihn nannte? So emotional wie das Plädoyer des Generalbundesanwalts wird bestimmt auch das Plädoyer der Verteidigung ausfallen. Dieser Prozess hat alle viel Nerven gekostet.

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