Kulturpolitik:Umbau, Umbruch, Umwälzung

Am Augsburger Theater bleibt kaum ein Stein auf dem anderen

Von Stefan Mayr, Augsburg

Juliane Votteler und Thomas Weitzel sitzen mit hängenden Schultern und geröteten Augen im Foyer des Augsburger Theaters. Als Weitzel, der Kulturreferent der Stadt, Vottelers Arbeit lobt, ist Intendantin Votteler sichtbar gerührt. Sie kann die Tränen nur mit Mühe zurückhalten. Tja, ihre Tage in Augsburg sind gezählt: die schwarz-rot-grüne Koalition im Stadtrat hat beschlossen, Vottelers Vertrag 2017 auslaufen zu lassen.

Diese Entscheidung hat sich in den vergangenen Wochen zwar abgezeichnet, dennoch löste sie zusätzliches Rumoren aus in einem Haus, das sich derzeit über zu wenig Unruhe nicht beschweren muss. Denn Augsburgs Stadttheater steht vor den größten Umwälzungen seit seiner Eröffnung anno 1877: In zwei Jahren beginnt die überfällige Komplett-Sanierung des Großen Hauses. Gleichzeitig soll nun ein neuer Intendant plus neuem kaufmännischen Direktor installiert werden. Auf die 370 Mitarbeiter (60 davon mit befristeten Verträgen) kommen also quälende Jahre des Schwebezustands zu: Wo wird gespielt? Wie sind dort die Arbeitsbedingungen? Und wird der neue Chef meinen Vertrag verlängern?

Als wäre das alles noch nicht spannend genug, wehrt sich eine Gruppe von Bürgern gegen das 189 Millionen Euro teure Sanierungskonzept der Stadt. Kurzum: Auf Augsburgs Bühnen bleibt kaum ein Stein auf dem anderen - und keiner weiß, was am Ende in der Landschaft stehen wird.

Juliane Votteler ist seit 2007 im Amt. "Ihre erfolgreiche künstlerische Arbeit ist unzweifelhaft", sagt Thomas Weitzel. Dennoch wurde sie von den Stadträten mehr oder weniger brutal abgesägt. Warum? "Sie wird 2017 zehn Jahre im Amt sein, das ist eine fast einmalig lange Zeit", sagt Weitzel. "Ein späterer Wechsel mitten in der Sanierung wäre schwierig." Deshalb wage man bereits vor Beginn der achtjährigen Umbauphase den Umbruch.

Über die Art und Weise der Sanierung schwelt unterdessen ein Konflikt zwischen Stadtoberen und Unterzeichnern eines offenen Briefes. Letztere fordern eine offene Diskussion über die Zukunft des Theaters. Die Stadt betont, man könne sehr gerne über das Konzept des "Neuen Hauses" reden, das neben dem Altbau entstehen soll. Aber eine Diskussion über die Renovierung des Großen Hauses sei ausgeschlossen - hierzu fehle die Zeit, weil Anfang 2017 aus Brandschutzgründen Schluss ist. Und eine neue Debatte gefährde den 107-Millionen-Zuschuss des Freistaats. Ein Ende des Streits ist nicht in Sicht, beide Seiten beharren auf ihrer Position.

Juliane Votteler hält sich aus diesem Disput heraus. Sie findet ihre Fassung schnell wieder und sagt: Die Entscheidung der Politiker habe sie "natürlich mit Bedauern" vernommen. Doch sie habe für die restlichen zwei Jahre noch jede Menge Ideen - zum Beispiel eine Meyerbeer-Oper zum Augsburger Religionsfrieden.

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