NSU-Prozess:Ihrer Pflicht können Heer, Stahl und Sturm kaum entgehen

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Die Angeklagte Beate Zschäpe und ihre Anwälte Mathias Grasel, Wolfgang Stahl, Anja Sturm und Wolfgang Heer am 14.07.2015 zu Prozessbeginn im Gerichtssaal im Oberlandesgericht in München. (Foto: REUTERS)

Beate Zschäpes Verteidiger wollen ihr Mandat loswerden - aber das geht nicht so einfach. Dass der Prozess platzt, ist sehr unwahrscheinlich.

Kommentar von Annette Ramelsberger

So einfach ist es nun auch wieder nicht. Weder für Beate Zschäpe, die schon seit einem Jahr ihre Anwälte loswerden will - noch für die drei Anwälte Sturm, Stahl und Heer, die nun ihre Mandantin loswerden wollen. Die vier können nicht mehr miteinander, das ist offensichtlich und auch der Versuch des Gerichts, durch einen zusätzlichen Anwalt das Verhältnis zu entspannen, hat nicht gefruchtet. Drei Anwälte wollen ihr Mandat niederlegen. Denn Beate Zschäpe redet nur noch mit ihrem neuen Verteidiger, dem jungen Mathias Grasel - und straft die alten Verteidiger mit Missachtung. Dass diese Situation schwer ist für die drei Anwälte, ist verständlich. Doch dass diese Leidenszeit nun schnell vorübergeht, ist nicht zu erwarten. Sie hat gerade erst begonnen.

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Es ist im Strafprozess nicht wie in einer Ehe. Dort gilt das Zerrüttungsprinzip. Wenn man sich nichts mehr zu sagen hat, trennt man sich und lässt sich scheiden. Im Strafprozess geht es aber nicht um Sympathie und Antipathie, um Launen und Befindlichkeiten, um die bessere, schneidigere Performance. Es geht auch nicht ums eigene Ego - weder das der Angeklagten, noch das der Verteidiger. Es geht einzig darum, die Schuld oder Unschuld der Angeklagten festzustellen und sie ordentlich zu verteidigen.

Genau dafür ist der Pflichtverteidiger bestellt: Er wird aus Steuermitteln bezahlt und vom Gericht verpflichtet, und das Wort Pflicht hat hier eine sehr hohe Bedeutung. Er hat die Pflicht zu verteidigen, bis hin zu einer Grenze, in der er sich persönlichen Gefahren aussetzt. Er ist dazu da, den Prozess abzusichern. Und genau deshalb hat Beate Zschäpe bereits zu Prozessbeginn drei Pflichtanwälte bekommen, und jetzt noch einen vierten dazu. Wenn schon die Tatsache ausreicht, dass ein Angeklagter nicht mehr mit seinem Anwalt redet, dann könnte dies Prozesse ständig platzen lassen. Genau das soll der Pflichtverteidiger verhindern.

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Deutsche Gerichte tanzen nicht gern nach der Pfeife der Angeklagten. Sie entbinden Pflichtverteidiger höchst ungern und höchst selten von ihrem Mandat. Der RAF-Terrorist Andreas Baader nannte seine Pflichtverteidiger einst "Arschlöcher" und randalierte im Gerichtssaal, wenn sie zum Sprechen ansetzten - das Gericht entband die Pflichtverteidiger dennoch nicht. In Aachen musste ein Heroindealer seinem Verteidiger erst mitten im Gerichtssaal ein Veilchen schlagen, damit die Richter ihn von seinem Mandat entbanden. Nur weil eine Mandantin wie Beate Zschäpe nicht mehr mit ihren Verteidigern redet, ist das noch lange kein Grund, die Pflichtverteidiger zu entlassen. Die Anwälte können ja trotzdem verteidigen - wenn sie die Akten kennen und die richtigen Fragen stellen. Aktenkenntnis kann man Zschäpes bisherigen Verteidigern nicht absprechen - nur, dass es ihnen nicht gelungen ist, ihre Mandantin zu knacken. Nicht einmal ihnen hat sie die volle Wahrheit anvertraut.

Auf jeden Fall wird dieser historische Prozess nicht deswegen platzen, weil sich Beate Zschäpe und ihre Anwälte um die richtige Sitzordnung im Gerichtssaal streiten. So sieht es im Moment aus. Dass es in Wirklichkeit bei diesem Streit darum gehen könnte, ob Beate Zschäpe spricht oder nicht, das ist nicht zu erkennen. Wenn sie reden wollte, müsste sie nur das rote Knöpfchen am Mikrophon drücken und loslegen. Keiner würde ihr in den Arm fallen.

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