Neumarkt-St. Veit:Wo Napoleon Spuren hinterlassen hat

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Napoleonische Schlachten werden oft nachgestellt (wie hier bei Leipzig. (Foto: Hendrik Schmidt/pa)

In der Fassade der Stadtapotheke in Neumarkt-St. Veit steckt ein Relikt einer Schlacht, die sich am 24. April 1809 zugetragen hat. Auch sonst gibt es zahlreiche Spuren des napoleonischen Krieges.

Von Hans Kratzer, Neumarkt-St. Veit

Die Fassade der Stadtapotheke von Neumarkt-St. Veit weist eine Kuriosität auf, wie sie nur wenige Häuser in Bayern zu bieten haben. Wer seinen Blick von dem geschweiften Knickgiebel leicht nach unten wendet, wird entdecken, dass mitten in der Wand eine Kanonenkugel steckt. Es handelt sich um ein Relikt jener Schlacht, die sich am 24. April 1809 in Neumarkt zugetragen hat. Schon damals flogen solche Sechspfünder-Kugeln bis zu 1000 Meter weit, wie Franz-Joseph Gruber erzählt, einer, der den Verlauf und die Umstände der Schlacht von Neumarkt vor dem Zuhörer en gros und en detail auszubreiten vermag. Der pensionierte Kriminalbeamte hat auch ein informatives, detailreiches Buch darüber geschrieben.

Und noch ein Kuriosum haben die Kriegshändel hinterlassen, etwas, das es in dieser Form in Europa wohl kein zweites Mal gibt. Im ganzen Stadtgebiet stößt man auf sogenannte Neunerkreuze, es sind Erinnerungsmäler, deren Name vom Schicksalsjahr 1809 herrührt. Freilich sind sie nicht leicht zu finden, oft verstecken sie sich unter einem Gebüsch oder hinter einem Strauch. Das kommt daher, dass die Bauern die Leichen der vielen hundert Gefallenen an Ort und Stelle begraben mussten. Die Grabstellen haben sie dann mit Holzkreuzen gekennzeichnet. Nur jene Männer, die direkt im Ortsgebiet gefallen sind sowie die Schwerverwundeten, die in den Tagen nach der Schlacht ihren Verletzungen erlagen, wurden in drei großen Gräbern am Ortsrand bestattet.

27 Jahre nach der Schlacht gründeten ehemalige Soldaten der napoleonischen Kriege in Neumarkt einen Veteranenverein, der dafür sorgte, dass die Erinnerung an die schrecklichen Ereignisse nicht verlosch. Die Holzkreuze in Wald und Flur waren morsch geworden, weshalb sie nun durch Eisenkreuze aus Bandstahl ersetzt wurden. Diese werden von der Krieger- und Soldatenkameradschaft Neumarkt bis heute gepflegt und in Ehren gehalten.

Eine Kanonenkugel von 1809 in einer Fassade in Neumarkt. (Foto: Hak)

Auf kleinen Tafeln ist zum Teil die Zahl oder die Herkunft der hier bestatteten Opfer vermerkt. Überdies wurde in der Stadt ein großes Monument errichtet, an dem seit 170 Jahren alljährlich am Georgitag (24. April) ein Feldgottesdienst gefeiert wird. Es heißt Franzosenkreuz, da es sich über dem Massengrab von 195 französischen Chasseurs (Jäger zu Pferd) erhebt. Zwei Tage vor der Schlacht von Neumarkt waren in der großen Schlacht von Eggmühl bei Regensburg 10 000 Menschen getötet worden.

Sie wurden in Massengräbern verscharrt, deren Standort heute nicht mehr bekannt ist und an die kein Kreuz erinnert, mit Ausnahme des Grabes des französischen Generals Cervoni in Unterdeggenbach (Gemeinde Schierling). Es markiert jene Stelle, an der ihn eine Kanonenkugel tötete. Die Österreicher, die in Eggmühl von Napoleons Truppen bitter besiegt worden waren, führten ein Rückzugsgefecht gegen Bayern und Franzosen, das am 24. April 1809 in die Schlacht von Neumarkt mündete. Napoleon erlitt dabei seine erste Niederlage gegen die Österreicher. Die schmale Brücke über die Rott wurde für die zurückgeschlagenen Bayern und Franzosen zum tödlichen Nadelöhr. Hunderte Soldaten ließen hier ihr Leben. Erst als Verstärkung kam, zogen sich die Österreicher zurück. Einen Tag später ritt Napoleon durch die Tore von Neumarkt, um hier zu nächtigen.

Ein sogenanntes Neunerkreuz in Neumarkt. (Foto: Hak)

Die Schlacht wirkt in der kleinen Stadt bis heute nach. Wenn man mit Franz-Joseph Gruber bei der Dokumentation der bislang bekannten 45 Neunerkreuze auf den Anhöhen unterwegs ist und die sommerliche Idylle im Talgrund sieht, wird einem umso deutlicher bewusst, dass die heutigen Verhältnisse in der Vergangenheit mit viel Blut erkauft wurden. Das einfache Volk blieb damals mit seinem Elend, mit dem Verlust von Vätern und Söhnen, mit dem abgebrannten Haus und dem verwüsteten Feld allein. Umso mehr fühlt sich Franz-Joseph Gruber verpflichtet, diese Zeugnisse zu bewahren und sie wissenschaftlich genau zu dokumentieren. Eine Arbeit, die Jahre dauern wird.

Es gab Zeiten, in denen sogar die Erinnerung kontaminiert war. Thomas Schuler erinnert in seinem Buch (siehe rechts) an den 100. Jahrestag der Schlacht anno 1909, als das Gedenken in Neumarkt mit kriegerischen Tamtam begangen wurde. Es beteiligte sich sogar eine Holzgewehre tragende Knabenkompanie. Nicht lange danach zogen sie 1914 scharenweise in den Krieg - diesmal nicht mehr mit Holzgewehren.

Für den Tipp bedanken wir uns bei Emil Steinbach, Neumarkt-St. Veit

© SZ vom 21.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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