Paris:Friedenstaube nach Berlin

Crisis meeting in Paris between French President and German Chanc

Der französische Staatschef François Hollande wirbt für Ideen, die Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel längst vertritt.

(Foto: Etienne Laurent/dpa)

François Hollande will Differenzen glätten, die während der Grexit-Verhandlungen entstanden waren. Er lobt die deutsch-französischen Beziehungen und hofft auf eine "Avantgarde" in der Euro-Zone.

Von Cerstin Gammelin

An den neuen Vorschlägen des französischen Staatspräsidenten François Hollande zur Vertiefung der Wirtschafts- und Währungsunion ist aus Sicht der Bundesregierung vor allem eines interessant: der Zeitpunkt. Hollande habe nach den anstrengenden Wochen im griechischen Krisenmodus offenbar versucht, den Blick der Euro-Länder wieder positiv nach vorne zu richten, hieß es in Berlin. Ob daraus eine weitere gemeinsame Initiative entstehen wird, soll über den Sommer geprüft werden.

In der Sommerpause sollen die Vorschläge konkreter ausgearbeitet werden

Frankreichs Präsident hat die heftigen Streitigkeiten um die erneute Rettung Griechenlands genutzt, um sich an die Spitze derer zu stellen, die die Euro-Zone reformieren wollen. "Wir brauchen eine Wirtschaftsregierung", forderte er in einem TV-Interview zum französischen Nationalfeiertag. Die Euro-Zone sei "eine Garantie, eine Sicherheit". Am Sonntag legte er in einem Beitrag für die französische Zeitung Le Journal du Dimanche nach und forderte eine Regierung, einen Haushalt und ein Parlament für die Währungsgemeinschaft. Interessierte Staaten sollten eine "Avantgarde" bilden und die Gemeinschaft stärken. In den vergangenen fünf Jahren hatte vor allem Bundeskanzlerin Angela Merkel versucht, die nötigen Reformen in der Euro-Zone voranzutreiben - war aber am Desinteresse der meisten anderen Staaten gescheitert. Die französische Initiative könnte den Bemühungen neuen Schwung verleihen. Eine Regierungssprecherin wollte sich am Montag zunächst nicht direkt zu den Vorschlägen äußern und verwies auf die laufenden Beratungen der Staats- und Regierungschefs der Euro-Staaten, die bis 2016 in einem Konzept zur weiteren Integration der Euro-Zone münden sollen. Grundlage dafür ist ein Bericht, den EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker zusammen mit den Präsidenten des Rates, des Parlaments, der Euro-Gruppe und der Europäischen Zentralbank Ende Juni vorgelegt hatte. Der Sprecher von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble begrüßte den Vorstoß. Es sei ein Anliegen des Ministers, "die Währungsunion in ihrem Fundament weiter zu festigen und fortzuentwickeln. Wir sind sehr offen für Vorschläge". Die freundliche Kommentierung des Vorschlags aus Paris mag auch der Tatsache geschuldet sein, dass sich Hollandes "Avantgarde" anhört wie das von Schäuble bereits im Jahr 1994 vorgetragene Konzept eines Kerneuropas. Es besagt, dass sich Länder, die schneller als andere eng kooperieren wollen, zusammenschließen. Dass Hollande damit sympathisiert, war bisher nicht klar.

Der französische Präsident hatte in seinem Beitrag am Sonntag auch die Einigung mit Griechenland gewürdigt und die Bedeutung der deutsch-französischen Beziehungen hervorgehoben, die "für den europäischen Geist maßgeblich" seien. Damit versucht Hollande offenbar, die deutsch-französischen Differenzen zu glätten, die wegen eines von Schäuble forcierten Austritts von Griechenland aus der Währungsunion entstanden waren. Hollande hatte sich öffentlich gegen einen Grexit auf Zeit ausgesprochen und damit Bundeskanzlerin Angela Merkel keine Wahl gelassen, als sich gegen den eigenen Minister auf die Seite Hollandes zu schlagen.

Für die Lesart, dass Hollande wohl "eine Friedenstaube nach Berlin" schicken wollte, spricht, dass der französische Staatschef für Ideen wirbt, die Deutschland bekanntermaßen längst vertritt. Wobei er freilich darauf verzichtet, Berlin direkt zu erwähnen, sondern stattdessen vorschlägt, die Idee des ehemaligen französischen EU-Kommissionspräsidenten Jacques Delors zu verwirklichen.

Jacques Delors hatte in den Neunzigerjahren angeregt, eine Regierung für die Euro-Zone einzurichten, die mit einem gemeinsamen Haushalt arbeiten und von einem Euro-Parlament kontrolliert werden sollte. In Berlin hieß es am Montag, in den nächsten Tagen bis zur Sommerpause würden inhaltliche Präzisierungen aus Paris erwartet; Vorfestlegungen gebe es nicht. Schäubles Sprecher sagte, die bisher bekannten Ideen reichten nicht aus, um sie "an dieser Stelle und schon gar nicht für die Bundesregierung im Ganzen" abschließend bewerten zu können. Vize-Kanzler Sigmar Gabriel sagte der Süddeutschen Zeitung, er "begrüße es, dass auch Präsident Hollande die Forderung nach einer Vertiefung der Union einschließlich eines eigenen Budgets unterstützt". Die Griechenland-Krise zeige "eindringlich, dass wir eine Vertiefung der Union mit stärkeren demokratisch legitimierten Organen benötigen". Gabriel hatte bereits im Juni zusammen mit dem französischen Wirtschaftsminister Emmanuel Macron Vorschläge zur Vertiefung der Gemeinschaft vorgelegt. Sie waren in den Bericht der fünf Präsidenten geflossen. SPD-Vize-Fraktionschef Axel Schäfer kündigte eine "deutsch-französische Parlamentsinitiative" an, um die Vorschläge "auch von der Basis her voranzutreiben". Europa und die Euro-Zone seien "nicht nur eine Sache der Regierungen, sondern auch der Parlamente", sagte Schäfer. Auf der SPD-Fraktionsklausur Anfang September soll die Initiative vorbereitet werden.

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