Jugendarbeitslosigkeit:So viele ohne Perspektive

In der EU sind fünf Millionen junge Menschen ohne Arbeit. Nun will eine deutsche Initiative helfen.

Von Thomas Öchsner, Berlin

Wenn es darum geht, die Sorge um die Jugend Europas auszudrücken, ist Politikern kein Wort zu groß. Schnell ist dann von der "verlorenen Generation" die Rede, von der "europäischen Katastrophe" oder gar von einem "29. EU-Staat" aus jungen Arbeitslosen. Davon sprach EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker. Die vielen großen Worte, begleitet von einigen Sondergipfeln, haben aber nicht viel geändert. Nach wie vor sind in der EU etwa fünf Millionen Menschen unter 25 Jahren ohne Arbeit, vor allem in Spanien, Griechenland, Portugal oder Italien. Etwa jeder fünfte in dieser Altersgruppe sucht oft seit Jahren vergeblich nach einer Arbeit.

Nun wollen deutsche Unternehmen etwas dagegen tun, zumindest ein bisschen. Deshalb gibt es eine neue Initiative. Sie heißt "InCharge" ("verantwortlich"). Ihr Sprecher ist Opel-Chef Karl-Thomas Neumann. Sie wird getragen von 25 Firmen und Stiftungen, wie dem Autovermieter Sixt, der Deutschen Bank oder der Unternehmensberatung Kienbaum. Bald, möglichst noch in diesem Jahr, sollen es 100 sein.

Als Neumann die Initiative mit Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) in der Bundespressekonferenz vorstellt, sagt er: "Es ist eine menschliche Katastrophe, wenn in einem hoch entwickelten Kontinent wie Europa junge Talente keine Chance erhalten." Wer als Jugendlicher lange ohne Erfolg eine Arbeit suche, "gerät leicht in eine Spirale aus Frust und Verzweiflung". Das Schicksal dieser jungen Menschen bewege ihn seit Jahren, und dieser Misere wolle er nicht mehr tatenlos zusehen. Neumann will aber keinesfalls falsche Erwartungen wecken. Dass die Jugendarbeitslosigkeit in Europa in zwei Jahren bekämpft sei, "das wird nicht passieren", sagt er.

Jugendarbeitslosigkeit: Hat die EU sie ihrer Chancen beraubt? Junge Menschen protestierten vor einigen Jahren gegen die rigide Schuldenpolitik der EU in Spanien.

Hat die EU sie ihrer Chancen beraubt? Junge Menschen protestierten vor einigen Jahren gegen die rigide Schuldenpolitik der EU in Spanien.

(Foto: Emilio Morenatti/AP)

Was kann so eine Initiative also bringen? Die Macher hinter "InCharge" wollen den Jugendlichen helfen, sich selbst zu befähigen, ihre persönlichen Chancen für einen Job zu erhöhen. Das ist möglich über ein Praktikum in einem Betrieb, eine bessere Qualifikation oder eine duale Berufsausbildung, wie sie in Deutschland üblich ist. Wie das gehen könnte, zeigt ein erstes Projekt der Initiative: Im spanischen Saragossa, wo Opel ein Werk mit gut 5000 Mitarbeitern hat, fand ein "Coaching Day" statt. Dabei kamen 430 junge Menschen und 20 Firmen aus Deutschland und Spanien zusammen, um voneinander zu lernen, was der eine vom anderen erwartet. Mit dabei war ein früherer Fußball-Nationalspieler: Christoph Metzelder, einst Profi bei Real Madrid, versuchte die arbeitslosen Jugendlichen zu motivieren, ihr Schicksal selbst in die Hand zu nehmen.

Mittelfristig ist nach Angaben der Stiftung geplant, 100 Firmen zu finden, die sich um jeweils 100 Jugendliche kümmern und ihnen bestenfalls eine Stelle anbieten, zunächst in Spanien, später in Portugal und vielleicht auch irgendwann in Griechenland, wenn dies als sinnvoll erscheint.

"Es gibt nichts Schwerfälligeres als EU-Fördertöpfe", sagt Arbeitsministerin Andrea Nahles

Neumann geht es dabei nicht darum, arbeitslose junge Leute nach Deutschland zu bringen. "Wir wollen keine begabten Pedros nach Deutschland holen, um aus ihnen Peter zu machen." Der Opel-Chef weiß, dass diese Programme "eine schlechte Bilanz haben. Zu viele brechen ab, viel zu wenige werden dauerhaft beschäftigt", auch weil die jungen Menschen ihr gewohntes Umfeld zu Haus vermissten. "Wir wollen die Menschen in ihren Heimatländern qualifizieren. Wir müssen dorthin gehen, wo die Talente sind", sagt er. Nach Deutschland sind mittlerweile tausende Jugendliche aus EU-Krisenländern zur Ausbildung gekommen. 2013 profitierten mehr als 7700 Antragsteller vom Bundesprogramm MobiPro-EU. Zwei Drittel kamen dabei aus Spanien. Von 2013 bis 2018 wird die Förderung von zunächst 139 Millionen Euro auf 550 Millionen Euro erhöht.

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Während in Deutschland die Quote der Erwerbslosen zwischen 15 und 24 Jahren mit 7,1 Prozent so niedrig wie in keinem anderen EU-Land ist, kommt der Kampf gegen die Jugendarbeitslosigkeit in Europa nur schleppend voran. 2013 lancierte die EU mit großem Tamtam die "Jugendgarantie". Dabei stellt die EU den Mitgliedsstaaten sechs Milliarden Euro bereit. Das Ziel des Programms nach österreichischem Vorbild: Jeder arbeitslose Jugendliche unter 25 Jahren soll binnen vier Monaten einen Job, eine Stelle in einem Beschäftigungsprogramm oder ein Praktikum bekommen. Doch viel geschehen ist nicht: Nach Angaben von Nahles wurden bislang erst 900 Millionen der sechs Milliarden Euro abgerufen. In gerade einmal vier Mitgliedsländern, in Lettland, Finnland, Portugal und Rumänien, seien Pilotprojekte angelaufen, heißt es bei der Europäischen Kommission. Die Arbeitsministerin sagt dazu ganz offen: "Es gibt nichts Schwerfälligeres als EU-Fördertöpfe." Das Verfahren zum Erhalt der Mittel sei nicht für Krisen ausgelegt. Vielfach fehle es auch in den Krisenländern an den Arbeitgebern, Trägern oder Organisationsstrukturen, um diese Mittel sinnvoll einsetzen zu können.

Manchmal geht aber doch etwas: Beim Beschäftigungsgipfel in Mailand, im Oktober 2014, stellte Litauen ein Pilotprojekt vor. Dabei erhielten Jugendliche in Vilnius für zwei Wochen einen Testjob bei Unternehmen. Etwa ein Viertel bekam später in den Betrieben eine Stelle.

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