Zorneding:Mein Nachbar, der Neonazi

Ein Zornedinger Paar berichtet von rechten Umtrieben, Polizei und Staatsschutz sind aber keine Vorfälle bekannt

Von Isabel Meixner und Carolin Fries, Zorneding

Die Nachricht klingt alarmierend in einer Zeit, in der immer wieder von Brandanschlägen auf Flüchtlingsunterkünfte zu lesen ist: "An die Gemeinde Zorneding wurde herangetragen, dass im Gemeindegebiet rechtsradikale Verhaltensweisen festgestellt wurden", schreibt die Verwaltung in ihrer aktuellen Gemeindebroschüre und bitte Bürger, "Hinweise auf links- oder rechtsradikale Verhaltensweisen" umgehend der Polizeiinspektion Poing zu melden.

Rechtsradikale Verhaltensweisen? Angelika Burwick, Leiterin des Helferkreises Asyl in Zorneding, reagiert irritiert auf die Frage: "Da ist mir gar nichts zu Ohren gekommen, überhaupt nicht." Auch Helmut Hintereder, Dienststellenleiter der Poinger Polizei, ist bei der ersten Nachfrage verdutzt über den Hinweis im Gemeindeblatt. Aktenkundig geworden seien in jüngster Zeit keine rechtsradikalen Schmierereien in Zorneding oder Neonazi-Treffen.

Tatsächlich fußt der Aufruf nicht auf einer Straftat, die die Polizei aufgenommen hat, sondern auf den Beobachtungen eines Zornedinger Pärchens, sagt der Geschäftsleiter im Rathaus, Daniel Kommnick. Er hatte im Juni eine E-Mail des Mannes erhalten, der rechtsradikale Handlungen in einem Haus in seiner Nachbarschaft beobachtet haben will. Mehrere Personen sollen Kleidung einer bei Rechtsradikalen beliebten Marke getragen haben, rechtsradikale Musik gehört und "Sieg heil" gebrüllt haben. Auch von Hakenkreuzschmierereien war in der E-Mail die Rede, die kann aber weder Kommnick noch die Polizei noch der Staatsschutz bestätigen. Mit seinen Beobachtungen habe das Pärchen sich auch an den Staatsschutz gewandt, der vergangenes Jahr dazu ermittelte, die Untersuchungen aber einstellte. Die rechtsradikalen Äußerungen, die gefallen sein sollen, seien keiner Person im Haus zuzuordnen gewesen, sagt Gerhard Karl, Leiter der Abteilung Staatsschutz bei der Kripo Erding. NS-Symbole wurden nicht gefunden. Die Bewohner seien "eher rechts angehaucht", es handele sich aber nicht um organisierte Neonazis, Verbindungen etwa zur Partei "Der dritte Weg", in der sich Rechte aus dem Süden Deutschlands zusammenschließen, gebe es keine.

Der Bürger habe die Gemeinde gebeten, mit einem Aufruf die Bevölkerung für das Thema zu sensibilisieren, sagt Kommnick. Dem sei die Verwaltung gerne nachgekommen, wenngleich der Geschäftsleiter sagt: "Ich betrachte das nicht als grundlegende Problematik in der Gemeinde." Eine rechte Szene gibt es seiner Einschätzung nach im Ort nicht. Dennoch finde er es richtig, mit dem Hinweis zu zeigen, dass es in Zorneding keine Toleranz gegenüber Rechtsradikalismus gebe. Bei Polizei und Staatsschutz ist der Hinweis eingegangen, er wird untersucht. "Substanzielles ist bisher nicht dran", sagt Poings Dienststellenleiter Hintereder, der sich verwundert über das Vorgehen der Gemeinde zeigt.

Im November hatte die Leiterin der Grundschule Zorneding Briefe und E-Mails mit fremdenfeindlichen Inhalten erhalten, weil sie den minderjährigen unbegleiteten Flüchtlingen, die bis Ende 2014 im Eschenhof lebten, ein leer stehendes Zimmer für Verfügung stellte. Eine islam- und fremdenfeindliche Internetseite, deren Betreiber in München lebt, hatte zuvor dazu aufgerufen, Briefe entsprechenden Inhalts an die Schule zu schicken. Der Staatsschutz wurde darüber informiert, aber weil die Schulleitung keinen Strafantrag stellte, habe man nicht wegen Beleidigung ermitteln können, sagt Staatsschützer Karl.

Schmierereien rechtsradikalen Inhalts gab es in der Gemeinde zuletzt vor zwei Jahren: Damals hatten Unbekannte Parolen auf die Lärmschutzwand am Bahnhof geschmiert. Rund um Grafing tauchten dagegen Anfang des Jahres rechtsradikale Graffiti auf. Auch hier wurde der Staatsschutz eingeschaltet. Generell, so beobachtet Polizeichef Hintereder, versuchten rechte Aktivisten, dort tätig zu werden, wo es Diskussionen über Flüchtlinge und ausländische Mitbürger gibt. Zuletzt sei das in Anzing der Fall gewesen, als Anwohner verhindern wollten, dass Asylbewerber ins frühere Forsthaus einziehen. "Das ist oft so in Fällen, wenn Konflikte öffentlichkeitswirksam sind."

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