Asylpolitik:Europas schmutziger Kampf gegen Flüchtlingsströme

Asylpolitik: Flüchtlinge aus Afrika versuchen, dicht gedrängt auf eine Boot, nach Europa zu gelangen.

Flüchtlinge aus Afrika versuchen, dicht gedrängt auf eine Boot, nach Europa zu gelangen.

(Foto: Imago Stock&People)
  • Die Europäische Union setzt auf Zusammenarbeit mit autokratischen Regimen, um den Zustrom von Flüchtlingen zu verringern.
  • Eine Liste möglicher Projekte polizeiliche und justizielle Kooperation mit Staaten wie Eritrea, Sudan und Ägypten vor.
  • Menschenrechtsaktivisten kritisieren, die Unterstützung sei genau für jene Regierungen vorgesehen, "die Menschen in brutaler Weise unterdrücken, foltern, töten".

Von Thomas Kirchner, Brüssel

Die europäische Flüchtlingspolitik ist eine Politik der geschlossenen Tür. Einige Menschen, die sich in allergrößter Not befinden, dürfen durchschlüpfen. Grundsätzlich aber dominiert der Wille, potenzielle Migranten abzuschrecken, sie nicht einreisen zu lassen oder, sollten sie es nach Europa geschafft haben, möglichst schnell wieder zurückzuschicken. Zu diesem Zweck werden seit Jahren immer neue Abkommen mit den Herkunfts- und Transitländern geschlossen, hauptsächlich im Norden und Osten Afrikas.

Nach dem Arabischen Frühling, der viele Verträge hinfällig gemacht hat, unternimmt die EU jetzt einen neuen Anlauf in diesem Sinne. In welchem Ausmaß sie dabei mit autoritären Regimes, etwa am Horn von Afrika, kooperiert, zeigen vertrauliche Verhandlungsdokumente aus den jüngsten Monaten.

Unterstützung für autokratische Regime

Die Papiere, über die das ARD-Magazin Monitor am Donnerstagabend berichtete, beziehen sich auf den "Khartum-Prozess", der im Herbst 2014 gestartet wurde. Staaten aus Europa und Afrika arbeiten zusammen gegen "illegale Migration" und Menschenhandel.

Bei einem Treffen in Scharm el-Scheich wurde im April 2015 eine Liste möglicher Projekte erstellt. So sollen die Institutionen der Regierung in Eritrea "gestärkt" werden, um Menschenschmuggel zu unterbinden. Für sudanesische Beamte seien Schulungen im "Migrationsmanagement" vorgesehen, im Südsudan will man das "Grenzmanagement" verbessern. In einem Trainingszentrum an der Polizeiakademie in Kairo sollen Polizisten und Strafverfolgungsbehörden afrikanischer Staaten mit Hilfe der EU ausgebildet werden.

Heikle Zusammenarbeit

Zwar enthält die Liste auch viele Vorschläge, die als "normale Entwicklungshilfe" angesehen werden können, mit dem Ziel, die Lebensbedingungen in den Ländern zu verbessern. Doch ist insbesondere die polizeiliche und justizielle Kooperation mit den genannten Regimes, bei der meist Italien und Deutschland federführend wären, heikel. Den Regierungen von Eritrea, des Sudan und des Südsudan werden, auch von der Bundesregierung, schwere und systematische Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen. Den sudanesischen Präsidenten Omar al-Baschir sucht der Internationale Strafgerichtshof gar wegen Völkermords an der eigenen Bevölkerung.

Die Generalsekretärin von Amnesty International in Deutschland, Selmin Çaliskan, kritisierte, die möglichen Bündnispartner seien "genau die Regierungen, die Menschen in brutaler Weise unterdrücken, foltern, töten". Vor allem die Kooperation mit Eritrea sei ein "Witz", so die EU-Abgeordnete Cornelia Ernst (Linke). "Die Union verkauft die Werte, für die sie steht."

Schon vor Monaten hatte der für Migration zuständige EU-Kommissar Dimitris Avramopoulos die Zusammenarbeit auch mit "diktatorischen Regimes" verteidigt. Diktaturen seien "irgendwie Wurzel des Problems", sagte er damals. "Deshalb müssen wir uns auf sie einlassen und sie vor ihre Verantwortung stellen." Nach einer Anfrage aus dem EU-Parlament sagte er im Juni, der Khartum-Prozess stehe erst am Anfang, noch seien keine Projekte initiiert worden.

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