Russland:Propaganda-Funk

Viele russische Musiker sind Patrioten. Aber die neueste Entwicklung in der Medienlandschaft des Landes geht selbst den größten Putin-Fans zu weit: Vehement warnen sie vor der Verstaatlichung eines der größten Radiosender im Land.

Von Frank Nienhuysen

An russischem Patriotismus hat es Josif Kobson bisher nicht mangeln lassen. Schon zu Sowjetzeiten erhielt der Sänger wegen Verdiensten für das Vaterland hohe Orden, er trat demonstrativ im Donbass auf, um die prorussischen Separatisten zu unterstützen, und durch die Blume warf er neulich Künstlerkollegen vor, sie scheuten sich aus Angst vor westlichen Sanktionen, auf der Krim aufzutreten. Kobson, der in Russland eine Art Frank-Sinatra-Status hat, muss Sanktionen nicht mehr fürchten. Die EU hat sie gegen ihn bereits erhoben. Aber sogar für den treuen Kobson ist es irgendwann genug. Er hat jetzt einen Brief an Präsident Wladimir Putin mitunterzeichnet, in dem viele bekannte russische Musiker ihre Angst vor einem Übermaß an musikalischer Ideologie äußern. Auch die Opernsängerin Anna Netrebko gehört dazu, Dima Bilan, Gewinner des Eurovision Song Contests, und der flamboyante Musiker und Produzent Filipp Kirkorow, omnipräsent in den russischen Unterhaltungsprogrammen.

All diese Künstler warnen vor einem Verkauf der großen privaten Radioholding Russische Mediagruppe an das neugegründete Staatsunternehmen Goskonzert, das dem Kulturministerium unterstellt ist. Die Mediagruppe betreibt in Russland beliebte Sender wie Hit FM, Radio Monte Carlo, Maximum und Russkoje Radio. Goskonzert dagegen, so fürchten die Musiker, könnte eine "staatliche Brutstätte für ideologisch richtig gestimmte Künstler" schaffen. Putin dürfe ein solches "zweifelhaftes Geschäft" nicht zulassen und müsse sich einmischen, heißt es in dem Brief, aus dem die Zeitung Kommersant zitiert.

Schon im vergangenen Oktober habe der Aufsichtsrat der Mediagruppe dem Kreml angeboten, Goskonzert und die Mediagruppe zum "Zentrum eines höchst effektiven Systems der ideologisch-propagandistischen Arbeit mit der Bevölkerung" zu machen. Doch in dem Brief an Putin kündigen die Sänger und Produzenten an, dass es einem großen Teil der russischen Musikindustrie bei einem Verkauf der Holding unmöglich sein werde, künftig weiter mit den Radiosendern zusammenzuarbeiten. Das klingt nach erheblichem Druck.

Die Unterzeichner weisen darauf hin, dass sie doch auch so schon patriotisch genug seien, etwa trotz drohender Sanktionen Konzerte auf der Krim gegeben hätten. Wenigstens einige von ihnen.

Russland ist seit der Krim-Annexion in einem Patriotismus-Rausch, der Politik, Wirtschaft und eben die Kultur erfasst. Mit Folgen, die selbst vielen Russen nicht belieben dürften. Dass nun geplant wird, mit einer patriotischen Holding vaterländische Superstars hervorzubringen, liegt auch daran, dass ausländische Künstler zunehmend russische Konzerthallen meiden. Auf sie, so heißt es, könne man nicht mehr setzen.

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