Gymnasium in Bayern:Das System frisst seine Nachwuchslehrer

Gymnasium in Bayern: Viele vormalige Referendare werden im kommenden Schuljahr an keinem Gymnasium unterkommen.

Viele vormalige Referendare werden im kommenden Schuljahr an keinem Gymnasium unterkommen.

(Foto: Alessandra Schellnegger)

Pascal Grün hat die Hälfte seines Referendariats hinter sich - und wird trotz hervorragender Noten im kommenden Schuljahr wohl keine Planstelle bekommen. Schuld daran sind auch die Unis.

Kommentar von Matthias Kohlmaier

Ein Jahr lang hat Referendar Pascal Grün uns an seinem Leben als Junglehrer teilhaben lassen. Von den Schülern hat er berichtet und von Elternabenden, von Fortbildungen und seinen ersten Lehrproben. Beide Prüfungen hat er mit der Bestnote absolviert und sich damit die besten Voraussetzungen für ein Jobangebot vom Freistaat Bayern geschaffen.

So oder ähnlich dachten Tausende Referendare bis vor ein paar Wochen noch. Gerade bei Fächerkombinationen mit Deutsch, modernen Fremdsprachen und Geisteswissenschaften ist dem Lehrernachwuchs seit Jahren klar, dass nur hervorragende Zensuren am Ende auch für eine Beamtenstelle gut genug sein werden. Blickt man jedoch auf die Einstellungszahlen an den bayerischen Gymnasien für das Jahr 2015, so zeigt sich: Auch ein hervorragender Abschluss reicht derzeit nicht.

Wer nicht gerade Mathe und/oder Physik oder wenigstens Kunst unterrichtet, hat im aktuellen Jahrgang kaum eine Chance, selbst mit einem Abschluss im niedrigen Eins-Komma-Bereich. Das Problem dabei: Natürlich werden die Junglehrer an den Gymnasien gebraucht. Denn kaum treten ein paar Krankheitsfälle in den Lehrerkollegien auf, verabschieden sich einige Lehrer in Elternzeit, müssen sich die Schulen bereits wenige Wochen nach Beginn des neuen Schuljahres mit Angestelltenverträgen behelfen. Die zuerst verschmähten Ex-Referendare dürfen ein paar Stunden hier und da halten - und verdienen im Verhältnis für die gleiche Arbeit etwa 20 Prozent weniger als der verbeamtete Kollege ein Klassenzimmer weiter.

Freilich gibt es kein Recht auf Verbeamtung, darf es auch nicht geben. Und man könnte an dieser Stelle einmal wieder die Frage stellen, ob das Beamtensystem im Lehramt nicht längst abgeschafft gehört. Aber das wird nicht zeitnah passieren, und so etabliert sich zunehmend eine Zweiklassengesellschaft im Lehrerzimmer, arbeiten gut abgesicherte Beamte neben Angestellten, die teilweise nicht einmal während der Ferien weiterbezahlt werden. Das ist staatlich gewollt, weil günstig.

Auch Unis müssen sich hinterfragen

Am allerbilligsten sind schon die Referendare selbst. Die befinden sich im zweiten und dritten Halbjahr ihrer Ausbildung im Schul-Einsatz, wo sie maximal 17 Wochenstunden vorbereiten, unterrichten und jede Stunde dokumentieren sollen, dazu jeden Test nachkorrigieren lassen müssen. Auch Betreuungslehrer, die mit Rat und Tat zur Seite stehen sollen, geraten unter Druck. Aber, und hier kommt wieder die Politik ins Spiel, es ist billig.

Die Folge: Das System frisst seine eigenen Junglehrer. Durch ihren Einsatz während der Ausbildung verhindern sie selbst, dass neue Planstellen für fertige Lehrer geschaffen werden.

Ausbildung nach Kapazität, nicht nach Bedarf

Diese unbefriedigende Situation ist nicht nur der Politik anzulasten, sie hängt auch mit der universitären Ausbildung der Lehrer zusammen. Es gibt nach wie vor keinerlei Zugangsbeschränkungen für ein Lehramtsstudium - was in Teilen richtig ist, die Abiturnote kann kaum etwas über ein potenzielles Lehrtalent aussagen. Die Unis bilden so viele Lehrer aus, wie in ihren Hörsälen Platz finden, den tatsächlichen Bedarf behält niemand im Blick. Natürlich werden gerade Sprachenlehrer gewarnt, dass es mit einem Job schwer werden dürfte, aber diese Warnungen verhallen noch immer bei viel zu vielen ungehört.

Es braucht darum Auswahlgespräche vor der Aufnahme eines Lehramtsstudiums, mehr Praxisanteile in der Frühphase des Studiums. So ließen sich Abiturienten, die nur mangels Alternative Lehrer werden wollen, schnell aussortieren - und solche, denen es an der Begeisterung für den Beruf fehlt, würden selbst darauf kommen, sich ein anderes Berufsfeld zu suchen. Die Lehrerausbildung ist gerade in einer Professionalisierungsphase. Da muss es auch Aufgabe der Hochschulen sein, den Lehramtsstudenten - besonders für das Gymnasium - frühzeitig zu vermitteln, dass in den meisten Fächerkombinationen nur die Besten und Motiviertesten eine Chance haben, später in ihrem Beruf zu arbeiten.

Noch ein Wort zu Pascal Grün: Für seine Fächerkombination Spanisch/Französisch lag die Einstellungsnote im Schuljahr 2014/15 bei 1,34. Für das aktuelle Jahr liegen noch keine endgültigen Zahlen vor, vieles deutet aber daraufhin, dass eine Zensur um die 1,0 notwendig war, um eine Planstelle zu bekommen. Alles Gute, lieber Herr Grün!

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