BGH-Urteil:Guru von Lonnerstadt muss drei Jahre in Haft

Prozess gegen Sekten-Guru aus Lonnerstadt

Der Guru der Sekte "Neue Gruppe der Weltdiener", beim ersten Prozess vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth im Juli 2014.

(Foto: dpa)
  • Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass der sogenannte "Guru von Lonnerstadt" und seine Frau drei Jahre in Haft müssen und bestätigt damit das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth.
  • Nach Auffassung des Gerichts hat das Paar den schwer kranken Sohn der Frau schwer misshandelt.

Drei Jahre Haft

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat entschieden, dass eine Mutter und ihr Lebensgefährte wegen Misshandlung eines schwer kranken Kindes ins Gefängnis müssen. Das Paar sei seiner Pflicht nicht nachgekommen, dem damals 13 Jahre alten Sohn der Frau die notwendige medizinische Behandlung zukommen zu lassen.

Das Paar entschied sich demnach aus esoterischer Überzeugung heraus, die dringend notwendige Behandlung seiner Stoffwechselkrankheit Mukoviszidose abzubrechen. Stattdessen vertrauten sie auf alternative Heilmethoden (Az.: 1 StR 624/14).

Fasten und Meditieren statt Medizin

Mutter und Stiefvater des Kindes waren zwischen 1999 und 2002 nicht mit ihm beim Arzt gewesen. Stattdessen setzten sie auf Fasten und Meditieren. Mit knapp 16 Jahren floh der Junge schließlich zu seinem Vater, nachdem er auf 30 Kilo abgemagert und seine Lunge irreparabel geschädigt war. Bei Mukoviszidose verstopfen die Atemwege in der Lunge, die Ausführungsgänge an der Bauchspeicheldrüse und die Gallenwege mit zähem Schleim.

Das Landgericht Nürnberg-Fürth ging 2014 von Vorsatz aus - und verurteilte Mutter nebst Lebensgefährten vor genau einem Jahr zu jeweils drei Jahren Haft. Beide haben sich einer Misshandlung von Schutzbefohlenen schuldig gemacht, beide haben durch unterlassenes Handeln in Kauf genommen, dass ein Jugendlicher in eine "potenziell lebensbedrohliche" Lage geraten sei, urteilte das Gericht. Bisher haben sie die Haftstrafe wegen des laufenden Verfahrens nicht angetreten.

Der BGH bestätigte nun das Urteil und verwarf die Revisionen der Angeklagten. Das Paar hätte dem Sohn Medikamente geben müssen - notfalls auch gegen seinen Willen. "Sein Zustand war zuletzt potentiell lebensbedrohlich und hätte bei weiterer Nichtbehandlung innerhalb weniger Wochen zum Tode geführt", heißt es in der Begründung des Gerichts.

Er will nicht Guru genannt werden

Bekannt wurde der Fall des "Gurus von Lonnerstadt" - der sich dagegen verwehrt, als Guru bezeichnet zu werden - durch eine WDR-Dokumentation vor knapp drei Jahren. In dem Film ging es um das Leben des Mannes und einiger Gleichgesinnter. Der Mann steht einer Sekte vor, deren Anhänger sich dem einfachen Leben verschrieben haben und auch die Kinder dazu anhalten, wenig zu essen, diszipliniert zu leben und viel zu meditieren. So erzählt es der Film. Das Jugendamt entzog einige Zeit später einem im Beitrag vorgestellten Elternpaar das Sorgerecht für ihre drei Kinder.

Im Verlauf des ersten Prozesses waren zwei sehr unterschiedliche Bilder vor Gericht gezeichnet worden: Das eine von der liebevollen Familie, in der die Mutter mit ihren drei Kindern und dem neuen Lebensgefährten zusammenlebt. Ganz harmonisch und ohne Zwang. Auf der anderen Seite wurde die Geschichte so erzählt: Da ging es um eine Mutter, die ihrem neuen Mann beinahe hörig ist und sich deswegen nicht mehr für die Kinder interessiert. Die weder kocht noch wäscht für die beiden Älteren, die ganz alleine in der Wohnung im Keller zurechtkommen müssen. Trotz Mukoviszidose, einer schweren Lungenkrankheit, werden die Medikamente abgesetzt und Arztbesuche gestrichen - weil die Mutter und ihre Lebensgefährte ihre eigene Weltanschauung vertreten.

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