Prozess gegen mutmaßliche IS-Kämpfer:Angeklagter berichtet von Sogwirkung bei der IS-Anwerbung

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Der Angeklagte Ayoub B. versteckt sein Gesicht vor den Fotografen. (Foto: AFP)
  • Am zweiten Tag des Prozesses in Celle gegen zwei mutmaßliche IS-Kämpfer berichtet der Angeklagte Ayoub B., wie ein Anwerber in Wolfsburg neue Mitglieder für die Terrormiliz rekrutierte.
  • Darüber, was ihn erwartete, als er 2014 nach Syrien ging, will der Angeklagte nicht informiert gewesen sein.
  • Der Anwerber habe "nicht gesagt, dass Leute geköpft und versklavt werden und Muslime sich untereinander umbringen", sagt Ayoub B.

Angeklager schildert Anwerbung durch den IS

Ayoub B. soll mit Waffen ins Gefecht gezogen sein, in Syrien und im Irak, für die Terrormiliz Islamischer Staat (IS). Zum Prozessauftakt am Montag vor dem Oberlandesgericht Celle ließ der Angeklagte seinen Anwalt für sich sprechen. Nun, am zweiten Tag, äußerte sich der IS-Rückkehrer selbst.

Er schilderte, wie ein IS-Anwerber immer mehr junge Männer für die Dschihadistenmiliz begeisterte, damals in Wolfsburg. Es sei von einem neuen, gerechten Staat nur für Muslime die Rede gewesen, der Unterstützung brauche, sagte der 27-jährige Ayoub B. vor Gericht.

Prozess gegen IS-Kämpfer
:"Ich bin weder Dschihadist noch Salafist"

Vor einem Jahr waren sie noch für den IS im Krieg. Jetzt stehen Ayoub B. und Ebrahim H. B. in Celle vor Gericht. Die Frage ist: Wie radikal waren sie wirklich?

Von Peter Burghardt

Der Aufbruch erster radikalisierter Wolfsburger Muslime habe eine Sogwirkung auf andere der Gruppe ausgeübt, sodass immer mehr nach Syrien ausgereist seien. Manche hätten vom Dschihad, andere von humanitärer Hilfe gesprochen.

Wie der "wissende Bruder" vorging

Bekannt gewesen sei, dass der aus Syrien nach Wolfsburg gekommene Anwerber zunächst eine al-Qaida nahestehende Terrorgruppe unterstützt habe. Wegen seiner großen Kenntnis des Islams sei er "der wissende Bruder" genannt und von allen der Gruppe geliebt worden. "Jeder wollte sein bester Kumpel sein."

Geschickt habe der Anwerber alle um den Finger gewickelt, so Ayoub B. "Ich würde lügen, wenn ich sage, ich bin blind nach Syrien gegangen", sagte der 27-jährige Deutschtunesier, dem es nach eigenen Angaben aber nicht um den bewaffneten Kampf, sondern das Koran-Studium ging. "Du wirst die Lichter der Türkei sehen, du kannst jederzeit zurück", sei ihm weisgemacht worden. "Er hat nicht gesagt, dass Leute geköpft und versklavt werden und Muslime sich untereinander umbringen."

Auffällige radikale Umtriebe

Die radikalen Umtriebe in Wolfsburg seien in der tunesischen Moschee, in deren Vorstand sein Vater sitze, schnell aufgefallen, sagte der Angeklagte. Der Prediger und einige andere, die einen radikalen Islam vertreten, hätten dort Hausverbot erhalten. Sein Vater hätte ihn vor diesen Männern gewarnt und klar von Terroristen gesprochen. Die Gruppe traf sich daraufhin in der türkischen Moschee, wo man nicht verstand, was sie auf Arabisch besprachen.

Die Bundesanwaltschaft wirft den beiden mutmaßlichen IS-Heimkehrern Ayoub B. und Ebrahim H. B. die Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung vor. Ayoub B. ist auch wegen der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat angeklagt, weil er an Kampftrainings teilgenommen und laut Anklage auch zur Waffe gegriffen haben soll. Ebrahim H. B. stand den Ermittlungen zufolge kurz davor, einen Selbstmordanschlag in Bagdad zu begehen.

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