Netzpolitik.org:Doch kein Staatsgeheimnis

Sie hatten Generalbundesanwalt Harald Range den Job gekostet, jetzt werden die Landesverrats-Ermittlungen gegen die Blogger Markus Beckedahl und André Meister eingestellt.

Von Jan Bielicki

Gegen die Blogger Markus Beckedahl und Andre Meister wird nun endgültig nicht mehr ermittelt. Die Bundesanwaltschaft stellte am Montag ihr Verfahren gegen die Betreiber der Nachrichtenseite Netzpolitik.org ein. Vom Verdacht des Landesverrats, aufgrund dessen Generalbundesanwalt Harald Range die Ermittlungen gegen die beiden Netzjournalisten vor fast genau drei Monaten in Gang gesetzt hatte, ist nun nach Ansicht der Behörde nichts mehr übrig. Die Bundesanwaltschaft gehe nun "mit dem Bundesministerium der Justiz" davon aus, dass es sich bei den von Netzpolitik.org veröffentlichten Dokumenten aus dem Bundesamt für Verfassungsschutz "nicht um ein Staatsgeheimnis" im Sinne des Strafgesetzbuchs handele, teilten die Karlsruher Strafverfolger mit. Auch sehe der Generalbundesanwalt "die Voraussetzungen der subjektiven Tatseite nicht als gegeben an". Das heißt: Die Journalisten haben die Dokumente eben nicht veröffentlicht, um die Bundesrepublik Deutschland zu benachteiligen oder eine fremde Macht zu begünstigen. Das aber gehört zum Tatbestand des Landesverrats unbedingt dazu.

Zum Ende der Ermittlungen, die Range das Amt gekostet haben, wollten sich am Montag weder das Bundesjustizministerium noch Regierungssprecher Steffen Seibert äußern. Der Netzpolitik-Betreiber Beckedahl forderte hingegen eine weitere Aufklärung der Affäre. "Das reicht uns nicht", sagte er: "Wir haben das Gefühl, dass da noch einiges nicht ans Licht gekommen ist, wer in der Bundesregierung zu welchem Zeitpunkt von den Ermittlungen gewusst hat." Abgeordnete von SPD und Grünen sowie Journalisten-Gewerkschaften begrüßten die Einstellung des Verfahrens gegen die Blogger. "Der Versuch, die betroffenen Journalisten zu kriminalisieren, ist grandios gescheitert", sagte der Vorsitzende des Deutschen Journalisten-Verbandes, Michael Konken.

In der Strafanzeige des Verfassungsschutzes war der Blogger sogar falsch geschrieben

Die Affäre hatte Ende März mit einer "Strafanzeige unter allen rechtlichen Gesichtspunkten" begonnen, die Hans-Georg Maaßen, der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, am 25. März dieses Jahres an das Landeskriminalamt Berlin schicken ließ. Darin beklagte er, dass Netzpolitik aus internen, vom Amt als "Geheim" oder "Vertraulich" eingestuften Unterlagen zitiert habe. Darin ging es um Pläne, massenhaft Internet-Inhalte auszuwerten. Die Anzeige richtete sich gegen keine bestimmte Person. Einen Namen aber nannte sie, allerdings falsch geschrieben: Der Blog werde von einer Person namens "Marcus Beckendahl" betrieben. Die Person machte freilich selbst nie ein Geheimnis daraus, dass sie Markus Beckedahl heißt. Im Mai eröffnete Range das Ermittlungsverfahren wegen Landesverrats, das Ende Juli öffentlich wurde. Als Justizminister Maas sich daraufhin vom Generalbundesanwalt distanzierte, warf Range seinem Dienstherren vor einer Woche einen "unerträglichen Eingriff in die Unabhängigkeit der Justiz" vor - und wurde von Maas prompt in den Ruhestand versetzt.

Unberührt von der Einstellung des Verfahrens gegen die beiden Journalisten bleibe jedoch "der Tatverdacht gegen bislang unbekannte Berufsgeheimnisträger wegen der Verletzung des Dienstgeheimnisses", teilte die Bundesanwaltschaft mit. Das Verfahren gehe an die zuständige Staatsanwaltschaft. Ziel der Ermittlungen könnten damit auch Abgeordnete des Bundestags sein.

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