Ukrainische Hackerbande:Börsenbetrüger dank Video-Tutorial

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So lief der Insiderhandel nach Darstellung der Ermittler ab. (Foto: Seth Wenig/AP)
  • Ukrainische Hacker und US-Aktienhändler sollen mit Insidergeschäften mehr als 100 Millionen Dollar erbeutet haben.
  • Die US-Börsenaufsicht ermittelt gegen mehr als 30 Personen und Unternehmen.
  • Sie verschafften sich früh Zugang zu 150 000 Pressemitteilungen und konnten regelrechte "Einkaufslisten" von Unternehmen erstellen.

Von Claus Hulverscheidt, New York

Eine Bande aus ukrainischen Computer-Hackern und US-Aktienhändlern soll mit Insidergeschäften illegale Gewinne in Höhe von mehr als 100 Millionen Dollar erbeutet haben. Nach Angaben der Staatsanwaltschaften von New York und New Jersey sowie der US-Börsenaufsicht SEC verschafften sich die Cyber-Kriminellen Zugang zu Pressemitteilungen von Unternehmen, die sie auf Angaben etwa zu Gewinnen und Verlusten oder den Ertragserwartungen durchsuchten. Fanden sie Informationen, gaben sie diese an Komplizen weiter. Diese nutzten die Informationen, um noch vor deren offiziellen Bekanntwerden die entsprechenden Aktien an der Börse zu kaufen oder zu verkaufen.

Laut SEC wird insgesamt gegen mehr als 30 Personen und Unternehmen ermittelt. Gegen neun Personen sind die Vorwürfe offenbar bereits so konkret und schwerwiegend, dass die Staatsanwaltschaften Haftbefehle erwirken konnten. Allein diese neun Verdächtigen sollen insgesamt 30 Millionen Dollar erbeutet haben. Fünf von ihnen leben in den USA, sie wurden am frühen Dienstagmorgen in Georgia und Pennsylvania festgenommen. Die übrigen vier Beschuldigten werden nun mit internationalen Haftbefehlen gesucht.

Die Kriminellen machten sich zunutze, dass viele US-Unternehmen Pressemitteilungen nicht selbst an Nachrichtenagenturen, Zeitungen, Online-Dienste, Rundfunksender und Finanzmarktteilnehmer verschicken, sondern kommerzielle Dienstleister damit beauftragen. Die Computer dreier solcher Dienstleister - Business Wire, Market Wired und PR Newswire - zapften die Beschuldigten an.

Die Hacker erstellten ein Lernvideo für ihre Komplizen

Insgesamt verschafften sie sich von der Ukraine aus so Zugang zu 150 000 Pressemitteilungen, darunter solchen von Konzernen wie Boeing, Hewlett-Packard, Caterpillar und Oracle. Ihre Komplizen in den USA tätigten auf Grundlage der Erkenntnisse mehr als 1000 Insidergeschäfte. Sie konnten den Angaben zufolge regelrechte "Einkaufslisten" von Unternehmen erstellen, bei denen Informationen mit möglichen Auswirkungen auf den Aktienkurs zur Veröffentlichung anstanden. Die Termine etwa, wann ein bestimmtes Unternehmen seine Quartalszahlen vorlegt, sind in den USA lange vorher bekannt. Die Listen wurden dann von den Hackern abgearbeitet. Die Computerexperten erstellten sogar ein Lernvideo, um den Aktienhändlern zu erklären, was sie tun müssen, um die gelieferten Dateien lesen zu können.

Der Fall offenbart eine neue Qualität bei Insidergeschäften, weil für die Durchführung weder enge Kontakte zur Börse noch zu den betroffenen Unternehmen notwendig sind. Stattdessen werden die Informationen einfach gestohlen und über private Aktiendepots zu Geld gemacht. Der zuständige Chef-Ermittler der Bundespolizei FBI, Diego Rodriguez, erklärte, die Betrüger hätten "ein herkömmliches Verbrechen im neuen Gewand" begangen.

SEC-Chefin Mary Jo White sagte vor Journalisten, der Fall sei hinsichtlich der Schwere, der Zahl der beteiligten Aktienhändler und der Summen, um die es gehe, ohne Vorbild. Welche Bedeutung die Regierung den Ereignissen beimisst, zeigt sich auch daran, dass Heimatschutzminister Jeh Johnson persönlich an der Pressekonferenz teilnahm.

© SZ vom 12.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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