Miserable Lage in der Landwirtschaft:Ein Milchpreis "unter aller Sau"

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Viele Bauern bekommen nur noch 30 Cent pro Liter und kämpfen ums Überleben. Bio-Landwirte stehen besser da

Von Matthias Köpf, Bad Tölz-Wolfratshausen

40 Cent stand als Forderung für einen fairen Milchpreis auf den Schildern, die viele Bauern vor sieben Jahren an ihre Ställe genagelt haben. Manche Schilder hängen noch, und die Forderung war Anfang des vergangenen Jahres sogar erfüllt. Doch inzwischen ist der Milchpreis wieder auf magere 30 Cent pro Liter gesunken, manche Molkereien zahlen noch weniger. Und die Discounter werben mit Billigpreisen von 55 Cent pro Packung. Für einige der Bauern im Landkreis geht es erneut ums wirtschaftliche Überleben. Eine Proteststimmung wie 2008 und 2009 ist daraus bisher nicht entstanden - auch zum Erstaunen ihres eigenen Verbandes.

Rund 95 Prozent der landwirtschaftlichen Fläche im Landkreis sind Grünland, sagt der Kreisobmann im Bayerischen Bauernverband, Peter Fichtner. Entsprechend sind auch praktisch alle Landwirte Milchbauern, wobei je nach Gegend einige daneben Silomais anbauen oder auch von der Forstwirtschaft leben. Im Schnitt halten die Bauern im Kreis 26 oder 27 Milchkühe plus Jungvieh, sagt Fichtner. Die Fleischproduktion spiele kaum eine Rolle. Insgesamt gebe es im Kreis demnach rund 1200 Menschen, die Agrarförderung beantragt haben, was aus Fichtners Sicht der Zahl der Bauern entspricht. Die Zahl sei in den vergangenen Jahren nicht sehr viel geringer geworden, sagt er. Allerdings erhalten auch viele die Flächenprämien, obwohl sie längst nicht mehr zu den rund 50 Prozent Haupterwerbsbauern zählen, sondern irgendwo arbeiten gehen und daneben nur noch Jungvieh halten. Diese Bauern würden immer mehr, sagt Fichtner, der selbst Nebenerwerbslandwirt ist.

Praktisch alle Bauern im Landkreis leben von der Milchvieh-Haltung. Im Schnitt halten sie 26 bis 27 Kühe.

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(Foto: Hartmut Pöstges)

Biobauer Nikolaus Mair kann mit höheren Milchpreisen rechnen.

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(Foto: Manfred Neubauer)

Peter Fichtner verfolgt die Entwicklung mit Sorge.

Wer im Vollerwerb eine Zukunft haben will, der müsse meistens wachsen, Flächen zupachten, teure Laufställe bauen und in Maschinen investieren, sagt der Bauern-Obmann. Wie sich das alles ohne verlässliche Einnahmen aus der Milch finanzieren lässt, das sei das große Problem. Auf Dauer werde das so nicht gut gehen, schon gar nicht mit einem Milchpreis "unter aller Sau" wie im Moment. Und wenn auf der Lohnabrechnung der Jungen stets mehr draufstehe als auf der Milchabrechnung der Alten, dann werde es in der nächsten Generation viel weniger Bauern geben.

Neulich sei ihm wieder einer dieser Prospekte in die Hand gefallen. Die Butter einer bekannten Marke sei da um 42 Prozent günstiger angepriesen worden. "Dass das irgendwer anderer zu bezahlen hat, ist ganz klar", schimpft Fichtner. Die Rabattschlachten im Handel, den schleppenden Absatz in Asien und das Russland-Embargo wegen der Ukraine-Krise macht Fichtner für den aktuellen Preisverfall verantwortlich und ist sich darin einig mit seinen Verbandsoberen. Die und auch Bayerns Agrarminister Helmut Brunner (CSU) wundern sich öffentlich, warum die Bauern bei all dem stillhalten. Doch kämpferisch ist die Stimmung auch bei altgedienten Vertretern des Bundesverbands Deutscher Milchviehhalter nicht mehr. Der BDM hat die Exportseligkeit des Bauernverbands vor einigen Jahren scharf kritisiert, tiefe Gräben zogen sich durch die Dörfer. Inzwischen habe der Bauernverband den BDM an den Rand gedrängt, sagt einer, der dies nicht mehr öffentlich mit seinem Namen tun will. Aus Fichtners Sicht ist da "der größte Verdruss überstanden". Allerdings zwinge der Markt die Bauern, richtige Egoisten zu werden, was "dem Dorfleben nicht unbedingt zugute kommt, auch untereinander".

Verlässlich sind die Milchpreise vor allem noch für die Bio-Bauern, im Landkreis ein gutes Zehntel aller Landwirte. Er müsse deutlich aufwendiger wirtschaften, sagt etwa Nikolaus Mair in Münsing, doch sei der Preis für seine Demeter-Milch heuer noch gar nicht gefallen, sondern werde von derzeit 48,5 Cent wohl eher noch steigen. Vor einige Jahren sei es gelungen, nicht mehr nur einen Bio-Aufschlag zu bekommen, sondern den Bio-Preis ganz abzukoppeln. Es lasse sich auch nicht in kurzer Zeit mehr Bio-Milch produzieren, sagt Mair, der die ganze Export-Strategie, mit Kraftfutter aus Südamerika Milch für Asien zu produzieren, für grundfalsch hält.

Immerhin ein Problem haben weder Mair noch seine konventionell wirtschaftenden Kollegen: Ausfälle bei der Heu-Ernte und der Silage wegen Hitze und Trockenheit gebe es bisher nicht in einem Ausmaß, das sich nicht mit der nächsten Mahd noch ausgleichen ließe. "Aber daneben gehen braucht jetzt nichts mehr", sagt Fichtner.

© SZ vom 19.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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