Spreebogen:Reisen und Speisen

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Eine lange Flugreise ist für jeden Menschen eine Herausforderung, besonders aber für Journalisten, die sich nicht zu schade sind, alle angebotenen Speisen, allein schon aus angeborenem Pflichtbewusstsein, einer Prüfung zu unterziehen.

Von Nico Fried

Neulich bin ich mit der Bundeskanzlerin und sechs Ministern nach Brasilien geflogen. Regierungskonsultationen. Hin- und Rückflug insgesamt 22 Stunden, aber nur 20 Stunden Aufenthalt, inklusive Übernachtung. Der Zeitunterschied zwischen Brasília und Berlin beträgt fünf Stunden. Deshalb muss man auch fünf Stunden schneller arbeiten. Für den Stress auf solchen Reisen nehme ich deshalb immer Weingummi mit. Als Nervennahrung.

Wir stiegen gegen Mittag ins Flugzeug. Noch vor dem Start der Regierungsmaschine reicht das Bordpersonal stets auf einem Tablett kleine Tüten mit Erdnüssen, Gummibärchen, Butterkeksen, Studentenfutter, wahlweise. Aber man kann auch von allem nehmen, was ich nicht tue. Ich mag kein Studentenfutter.

Den Knabberkram esse ich nicht sofort. Ich lege damit einen kleinen Vorrat an. Wenn ich ihn nicht brauche, bringe ich das Zeug am Ende meinen Töchtern mit. Aber bis dahin weiß man ja nie, wann es wieder was gibt.

Diesmal gab es gleich nach dem Start das Mittagessen. Schinken mit gegrilltem Gemüse als Vorspeise. Auf dem Tablett stehen dazu immer ein Schälchen mit Salat, eines mit Vollkornbrot und Crackern sowie eines mit Käse. Der Käse ist wohl für hinterher gedacht, aber wenn er zum Beispiel zum Schinken passt, kann man ihn auch gleich essen. Er passte.

Dann kam der Hauptgang, Würstchen mit Kartoffelbrei und Kraut. Obstsalat zum Nachtisch. Zum Kaffee zwei Pralinés. Jedes Mal nehme ich mir vor, auf die Pralinés zu verzichten. Aber wenn sie nur lange genug vor mir stehen, esse ich sie doch, obgleich nur zu Testzwecken, um zu wissen, ob diese Sorte mal als Geschenk für meine Frau geeignet wäre.

Anschließend sprachen wir mit der Kanzlerin, mit dem Außenminister, mit der Umweltministerin, dem Landwirtschafts- und dem Entwicklungsminister. Die Gespräche dauerten so lange, dass es für den Gesundheitsminister nicht mehr reichte, obwohl es interessant hätte sein können, sich mit ihm über richtige Ernährung auf Flugreisen zu unterhalten. Andererseits will man ja auch nicht versäumen, wenn der Kuchen gereicht wird. Es gab Sachertorte, Erdbeer- und Käsekuchen, wahlweise, siehe oben.

Weil die Zeit bis zum Abendessen ein wenig lang geriet, war ich froh über meinen Vorrat und entschied mich gegen meine Töchter und für die Erdnüsse. Weil wir auf Höhe der Kapverden ein Sturmtief umfliegen mussten, kam mir der Flug noch länger vor, was das Todesurteil für die Gummibären bedeutete. Schließlich mussten auch die Kekse dran glauben, die sich ohne ihre Kameraden in meiner Tasche sowieso nur gelangweilt hätten.

Irgendwann kam das Abendessen. Kalte Platte aus Wurst, Buletten und Fleischspießen mit Kartoffelsalat. Ich hatte eigentlich keinen Hunger, aber ich fühlte mich verpflichtet zu essen, weil die Reise extra von meiner Redaktion bezahlt wird.

Im Pressebüro des Hotels in Brasília wartete schon eine heiße Suppe mit Fleischeinlage auf die Gäste. Ich verzichtete, obwohl sie lecker aussah. Aber man muss sich auch mal beherrschen können.

Zum Glück hatte ich auf dem Zimmer noch das Weingummi.

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