Eritrea:Im Griff der Angst

Der Staat im Osten Afrikas gilt als besonders abschreckendes Beispiel. Das Regime Eritreas treibt die Menschen zu Tausenden aus dem Land.

Von Tobias Zick

In den Flüchtlingsbooten auf dem Mittelmeers ist keine afrikanische Nation so stark vertreten wie Eritrea. Bis zu 5000 Menschen fliehen jeden Monat aus dem kleinen Land am Horn von Afrika. Wer nach den Gründen sucht, tut sich sehr schwer. Das trifft nicht nur internationale Medien, sondern auch die Vereinten Nationen. Deren Menschenrechtskommission musste sich für ihren im Juni veröffentlichten Bericht auf die Aussagen von Hunderten Zeugen innerhalb und außerhalb des Landes stützen, denn die eritreische Regierung verweigerte den UN-Leuten die Einreise. Das Fazit der Untersuchung: "Repression und Angst" hätten das Land im Griff, das Regime sei verantwortlich für "außergerichtliche Hinrichtungen, weit verbreitete Folter, sexuelle Sklaverei und Zwangsarbeit". In der Rangliste der Pressefreiheit, die die Organisation "Reporter ohne Grenzen" erstellt, steht Eritrea seit Jahren auf dem letzten Platz, noch hinter Nordkorea.

Es ist vor allem die staatlich angeordnete Zwangsarbeit, die die jungen Eritreer in die Flucht treibt. Seit 2002 müssen alle volljährigen Männer und Frauen einen "Nationalen Dienst" ableisten, in der Armee, im Straßenbau oder in der Landwirtschaft. Er ist offiziell auf 18 Monate begrenzt, tatsächlich kann er aber durchaus zehn Jahre oder noch länger dauern. Aus Sicht des Regimes ist der Zwangsdienst nötig, um das Land gegen die Feinde zu wappnen, von denen es sich umzingelt sieht - allen voran Äthiopien, von dem sich Eritrea 1993 nach 30 Jahren Krieg abgespalten hat. Fünf Jahre später brach erneut ein Krieg um den Grenzverlauf aus, der Konflikt schwelt bis heute.

Präsident Isaias Aferwerki galt nach seinem Amtsantritt unter westlichen Diplomaten zunächst als ein Hoffnungsträger - doch dann nahm er den Konflikt mit Äthiopien zum Anlass, sein Unterdrückungssystem immer weiter auszubauen. Er sieht sich als Opfer einer Verschwörung. Denn Äthiopien widersetzt sich bis heute einem Friedensabkommen aus dem Jahr 2000, das den Grenzverlauf zwischen den beiden Staaten regelt - und hält nach wie vor Gebiete besetzt, die demnach Eritrea zustehen. Internationalen Druck muss die äthiopische Regierung deshalb kaum befürchten. Das Land gilt als enger Verbündeter des Westens im Kampf gegen den Terror in Ostafrika, zudem ist die Hauptstadt Addis Abeba Sitz der Afrikanischen Union. "Diese Vormachtstellung", schreibt Annette Weber von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), "führt dazu, dass sich die westliche Staatengemeinschaft gegenüber Äthiopien viel nachgiebiger zeigt als bei anderen Ländern am Horn von Afrika. Bei Repressionen, Menschenrechtsverletzungen der Regierung drückt man meist ein Auge zu. Dabei liegen die Staaten der Region in den Kategorien Menschenrechte, politische Freiheit und Demokratisierung nicht weit auseinander."

Auch Kritiker können insofern nachvollziehen, dass Eritrea sich in dem Konflikt ungerecht behandelt sieht. In dieser Lage hat sich Afewerki immer weiter in einen Teufelskreis der Isolation manövriert, indem er sich zweifelhafte Verbündete suchte, etwa somalische Islamisten. Um die Menschenrechtslage in Eritrea zu verbessern, führt wohl kein Weg daran vorbei, das Land wieder in regionale Strukturen zu integrieren; die Afrikanische Union etwa könnte eine "Sicherheitsgarantie" für Eritrea vereinbaren, schlägt Annette Weber vor. Eritreas Misstrauen gegenüber den westlichen Staaten lasse sich abbauen, wenn diese eine ausgewogenere Politik betreiben, schreibt sie.

Das wären allerdings nur erste Schritte, um die massenhafte Abwanderung zu bremsen. Denn die Migration ist längst zum entscheidenden Wirtschaftsfaktor geworden; das Geld, das die Geflohenen aus Europa und Amerika nach Hause überweisen, ist eine der letzten verlässlichen Einkommensquellen, die dem Land noch geblieben sind.

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