Windgas-Verfahren:Wie sich Wind speichern lässt

Sonnenuntergang auf Fehmarn

Sonne weg und Flaute: Auch Energie aus erneuerbaren Quellen lässt sich schwer speichern. Die Windgas-Technik könnte Abhilfe schaffen.

(Foto: Daniel Reinhardt/dpa)

Wohin mit überschüssigem Strom aus Windkraftanlagen, wenn der Wind zu stark weht? Es gibt eine Lösung dafür, die sogar die Energiewende preisgünstiger machen könnte.

Von Christopher Schrader

Die Dunkelflaute ist das Schreckgespenst der Energieplaner. Gemeint ist eine Wetterlage, bei der der Himmel grau bleibt und kaum Wind weht. Solarfarmen und Windräder liefern dann nur wenig Strom, und Versorgungssysteme, die sich primär auf erneuerbare Energieformen verlassen, geraten in Not. "Für solche Fälle braucht man Speicher, und die einzigen Speicher mit genügend Kapazität für eine lange Dunkelflaute bietet ein Ausbau der Windgas-Technik", sagt Michael Sterner von der Technischen Hochschule Regensburg. Gestützt auf eine neue Studie fügt er hinzu: "Damit kann man erreichen, dass der Strom zu 100 Prozent aus Erneuerbaren kommt." Auf Dauer werde die Energiewende so auch billiger.

Sterner propagiert seit langem ein "Windgas" oder "Power-to-Gas" genanntes Verfahren. Dabei spaltet überschüssiger Strom aus Windrädern oder Solarmodulen Wasser zu Sauerstoff und Wasserstoff. Dieser ist ein Energieträger und kann entweder direkt im bundesweiten Gasnetz gespeichert oder mit Kohlendioxid zu Methan verwandelt werden, dem Hauptbestandteil von Erdgas. Bei Bedarf macht ein Gaskraftwerk daraus wieder Strom. Dabei geht zwar viel Energie verloren.

Trotzdem würde sich das Verfahren lohnen, weil der Strom ohne das Speicherverfahren weggeworfen würde. "Unsere Gasspeicher sind ein wahrer Schatz", sagt Sterner. Dort lasse sich genug Windgas einlagern, um drei Monate Dunkelflaute zu überstehen. "Wir müssen eigentlich nur noch das Ladegerät für diesen Speicher bauen." Was das deutsche Energiesystem dafür braucht und was das kostet, hat Sterner nun mit Experten der Berliner Firma Energie Brainpool ausgerechnet. Bis 2050 müsste dazu die Kapazität der Elektrolyse-Anlagen auf 134 Gigawatt wachsen.

Günstiger für die Energiewende

Die Investitionen würden die jährlichen Kosten für den Ausgleich der schwankenden Einspeisung von Wind- und Solarstrom zunächst erhöhen: 2025 zum Beispiel auf 27 Milliarden Euro. Die Stromversorgung allein mit Erdgas abzupuffern, würde 23 Milliarden Euro kosten. Ab 2035 aber kehrt sich der Preisunterschied laut Studie um, und etwa zehn Jahre später hätte sich die Investition bezahlt gemacht. Mit Windgas-Speichern wäre die Energiewende dann billiger als ohne: Im Jahr 2050 wächst die Ersparnis laut Studie auf fast zwölf Milliarden Euro. Zugleich stammt dann wirklich jede Kilowattstunde Strom aus erneuerbaren Quellen.

Auftraggeber der Untersuchung, die am Montag in Berlin vorgestellt wurde, war Greenpeace Energy, eine Genossenschaft unter dem Dach der Umweltschutz-Organisation. Sie bietet ihren Kunden bereits die Lieferung von Erdgas mit einem kleinen Anteil von Windgas an. "Wir wollen ein Marktbereiter sein, denn noch ist die Technik, Windstrom zu speichern, nicht wirtschaftlich", sagt ihr Manager Marcel Keiffenheim. Auch große Energiekonzerne erproben das Verfahren; zuletzt hat RWE in Ibbenbüren eine Pilotanlage eingeweiht. Zurzeit haben die etwa 30 deutschen Anlagen eine Kapazität von 20 Megawatt. Um das zu steigern, fordert Keiffenheim keine Subventionen, sondern den Abbau von Hemmnissen. So müssten Windgas-Anlagen zurzeit bis zu 16 Cent pro Kilowattstunde für überschüssigen Strom zahlen, und das jeweils dann, wenn der Marktpreis bei Null liegt.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: