Soziale Netzwerke im Job:Lästern und loben

Beschimpfungen auf Facebook sind Kündigungsgrund

Wie öffentlich ist eine Beleidigung in sozialen Netzwerken? Gerichte beurteilen das bislang unterschiedlich. Eine Rolle spielt die Zahl der Facebook-Kontakte.

(Foto: dpa)

Die Belegschaft twittert und postet im Dienst, der Chef nutzt Facebook für seine Zwecke. Arbeitsrechtler warnen vor einer zu großen Sorglosigkeit im Umgang mit Social Media.

Von Ina Reinsch

Fast die Hälfte der Personaler informiert sich in sozialen Netzwerken über Bewerber. Zu diesem Ergebnis kommt eine repräsentative Umfrage im Auftrag des Digitalverbands Bitkom. Beim Social-Media-Check der Chefs stehen danach berufliche Netzwerke wie Xing oder Linkedin im Vordergrund, aber auch Facebook und Twitter sind den Entscheidern einen Blick wert.

Jeder siebte Personalchef hat nach einer solchen Recherche schon den Entschluss gefasst, einen Bewerber nicht einzuladen oder nicht einzustellen. Das Überraschende daran: Nicht wilde Partyfotos führten zur Absage, sondern Widersprüche zu den Bewerbungsunterlagen und inkompetente fachliche Äußerungen.

Dürfen sich Personaler im Web über Bewerber informieren?

"Profile in sozialen Netzwerken sind oft aussagekräftiger als eine kurze Bewerbung. Deshalb werden Personalabteilungen künftig noch häufiger darauf zurückgreifen, um sich ein Bild von Kandidaten zu machen", sagt Bitkom-Hauptgeschäftsführer Bernhard Rohleder. Doch dürfen sie das überhaupt?

"Das Erheben von Bewerberdaten im Internet ist nicht ausdrücklich gesetzlich geregelt", erklärt Christian Scholle, Fachanwalt für Arbeitsrecht bei ICL Rechtsanwälte in Hamburg. In der juristischen Literatur wird aber über das Thema diskutiert. "Als zulässig wird danach die Suche nach solchen Informationen über einen Bewerber angesehen, die frei zugänglich sind, die man also googeln kann oder die er in beruflichen Netzwerken selbst über sich preisgibt", sagt der Anwalt.

In privat orientierten Netzwerken wie Facebook Daten zu erheben, werde dagegen als unzulässig bewertet. Gerichtliche Entscheidungen fehlen bislang. "Das liegt daran, dass sich Verstöße nur schwer beweisen lassen", sagt Scholle. "Die Gefahr, entdeckt zu werden, ist sehr gering, ein Arbeitgeber müsste sich schon sehr ungeschickt anstellen."

Bislang gibt es nur rudimentäre gesetzliche Regelungen

Auch für bestehende Arbeitsverhältnisse ist die Rechtslage eher unbefriedigend. Der Gesetzgeber hat bislang nur sehr rudimentäre Regelungen getroffen, etwa im Bundesdatenschutzgesetz, dem Telekommunikations- und dem Telemediengesetz. Nicht nur Chefs sind verunsichert, auch Mitarbeiter wissen mitunter nicht, was in puncto Social Media noch erlaubt ist.

Das fängt schon bei der simplen Frage an, ob der Arbeitnehmer während der Arbeitszeit privat bei Xing, Linkedin, Whatsapp, Twitter oder Facebook unterwegs sein darf. "Hat der Arbeitgeber die Nutzung sozialer Medien während der Arbeitszeit verboten, gilt: Hände weg!", warnt Kathrin Brügger, Rechtsanwältin bei Pinsent Masons in München. Bei einem Verstoß drohe dem Mitarbeiter eine Abmahnung, in besonders gravierenden Fällen sogar eine Kündigung.

Weil die Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit aber immer mehr verwischen, gibt es inzwischen zahlreiche Unternehmen, die eine private Nutzung sozialer Medien ausdrücklich erlauben, etwa durch eine Klausel im Arbeitsvertrag oder im Rahmen einer Social-Media-Guideline. Das stellt allerdings keinen Freibrief dar. "In den meisten Fällen wird der Arbeitgeber die Nutzung zeitlich und inhaltlich beschränken", sagt Brügger. Und selbst ohne ausdrückliche Einschränkung ist die exzessive Nutzung am Arbeitsplatz verboten.

Das zeigt etwa der Fall eines Mitarbeiters, der innerhalb eines Zeitraums von vier Monaten 17 429 private Dateien auf seinen Dienstrechner heruntergeladen hatte. Sein Chef wunderte sich über die drastische Verlangsamung des Datentransfers in seinem Unternehmen und betrieb Ursachenforschung. Als er seinem Angestellten auf die Schliche kam, kündigte er ihm. Auch die Richter zeigten wenig Verständnis und winkten die Entlassung durch (Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein, 6. Mai 2014, Az.: 1 Sa 421/13).

Gehen Sie immer von einem Verbot aus

Ein heißes Eisen sind soziale Medien auch dann, wenn im Betrieb keine klare Reglung existiert. "Grundsätzlich kann der Arbeitnehmer nicht davon ausgehen, dass er den betrieblichen Internetzugang und damit auch Social-Media-Anwendungen für private Zwecke nutzen darf. Er sollte daher immer von einem Verbot ausgehen, wenn die private Nutzung nicht erlaubt ist oder zumindest ausdrücklich geduldet wird", sagt Brügger. "Wer Probleme im Arbeitsverhältnis vermeiden möchte, sollte es bleiben lassen." Habe der Chef einen Mitarbeiter auf dem Kieker, werde er genau hier nach Fehlverhalten suchen.

Arbeitnehmer sollten das Twittern, Posten und Liken daher besser in ihre Freizeit verschieben. Denn außerhalb der Arbeitszeit darf der Chef die private Nutzung der Angebote nicht verbieten. "Was nach Feierabend stattfindet, fällt in den Privatbereich, darauf hat der Arbeitgeber keinen Zugriff", sagt Scholle. Das gelte aber nur, solange sich durch die private Nutzung keine negativen Auswirkungen auf das Arbeitsverhältnis ergeben: "Beleidigungen und Schmähkritik gehen daher nicht."

Selbst gutgemeinte Werbung kann nach hinten losgehen

Dass allerdings auch gut gemeinte Posts nach hinten losgehen können, zeigt der Fall eines Autohaus-Mitarbeiters, der auf seiner privaten Facebook-Seite die Angebote seines Arbeitgebers bewarb und seine dienstliche Telefonnummer darunter stellte. Sein Chef wurde wegen Verstoßes gegen das Wettbewerbsrecht abgemahnt (Landgericht Freiburg, 4. November 2013, Az.: 12 O 83/13). "Die Social-Media-Nutzung durch Arbeitnehmer kann für den Arbeitgeber ein erhebliches Haftungsrisiko begründen", sagt Michaela Berger, Fachanwältin für IT-Recht bei Röhl, Dehm und Partner in Augsburg. "Das Verhalten des Mitarbeiters wird dem Arbeitgeber zugerechnet, und zwar selbst dann, wenn er von den Aktivitäten keine Kenntnis hat."

Der Trend geht derweil in eine andere Richtung: Arbeitnehmer sollen gezielt für Social-Media-Aktivitäten des Arbeitgebers eingesetzt werden. Denn nichts ist günstiger und effektiver, als potenzielle Kunden direkt in sozialen Netzwerken anzusprechen.

Juristen sehen das allerdings kritisch. "Hat die Social-Media-Pflege nichts mit der eigentlichen Tätigkeit des Mitarbeiters zu tun, darf der Arbeitgeber die Nutzung auch nicht verlangen", sagt Arbeitsrechtler Scholle. Anders könne das nur für einige wenige Tätigkeiten aussehen, bei denen es gerade auf den Außenauftritt des Mitarbeiters ankommt wie beispielsweise im Marketing, im Vertrieb oder in der Öffentlichkeitsarbeit.

Aber auch hier ist nicht alles erlaubt: "Handelt es sich um einen Social-Media-Account des Unternehmens, kann der Arbeitgeber im Arbeitsvertrag, der Stellenbeschreibung oder einer Richtlinie regeln, wie dieser Account vom Mitarbeiter zu pflegen und zu verwalten ist", sagt IT-Rechts-Expertin Berger. Der Mitarbeiter handelt dann im Auftrag und im Namen des Arbeitgebers. "Geht es dagegen um einen privaten Account, würde eine solche Verpflichtung sehr tief in das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers eingreifen, sie wäre unwirksam", sagt Berger. Dabei spielt es nach Ansicht der Juristen keine Rolle, ob der Chef die Nutzung des privaten Accounts per Weisungsrecht verlangt oder sogar in den Arbeitsvertrag hineinschreibt. Mitarbeiter gegen Willen privat als Markenbotschafter einzusetzen, geht nicht.

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