VfB mit 1:4 gegen die Eintracht:Morsch nach hinten

Drei Spiele, drei Niederlagen: Erneut macht Stuttgart übermütig das Spiel, der Gegner aber setzt messerscharf die Konter. Das Resultat: vier Gegentore gegen Frankfurt.

Von Frieder Pfeiffer, Stuttgart

Es soll ja Trainer in der Bundesliga geben, die kurz vor Anpfiff in ihrer Kabine noch schnell den Schlips zurecht ziehen und so lange am Pulli zupfen, bis er ordentlich sitzt. Das sagt natürlich nicht viel über die Qualität als Anleiter einer Spitzenmannschaft aus. Im Gegensatz dazu offenbart sich jedoch in der Tatsache, dass Alexander Zorniger, kurz bevor es ernst wird, in Trainingsklamotten über den Platz wandert, der Stil des immer noch neuen VfB-Trainers. Wenn der Schwabe also auch kurz vor dem Heimspiel gegen Frankfurt - was im Bundesligavergleich eher unorthodox anmutet - seine Spieler aus nächster Nähe beim Aufwärmen beobachtet und dabei versucht, bis zur letzten Sekunde Einfluss auszuüben, lässt das einige Schlüsse darauf zu, wie es dieser 47-Jährige geschafft hat, das VfB-Spiel deutlich tiefgreifender umzugraben, als das ein halbes Dutzend Vorgänger je imstande waren zu tun.

Der Überfall-Stil des früheren Leipzig-Coaches ist in den vergangenen Wochen fast so oft thematisiert worden wie der Abschied von Kevin De Bruyne aus Wolfsburg. Nicht umsonst: Es ist spektakulär - auf beiden Seiten.

Nach knapp zehn Wochen Zorniger-Einsatz in Stuttgart und zwei unglücklichen Niederlagen, viel Lob und null Punkten also, präsentierte sich der VfB auch zu Hause gegen Frankfurt in der Form eines Lehrvideos: Man sah, wie das möglich war mit diesen schönen Pleiten gegen Köln und in Hamburg. Das 1:4 (1:2) war eine Kopie der vorangegangenen Auftritte, forsch nach vorne, morsch nach hinten.

VfB Stuttgart - Eintracht Frankfurt

Zweite Führung: Luc Castaignos (l.) schießt das 2:1 für Frankfurt gegen Stuttgart.

(Foto: Marijan Murat/dpa)

"Es kann nicht sein, dass die da unten stehen."

"Ein richtig gutes Spiel" hatte Armin Veh in der ersten Halbzeit gesehen. Er meinte nicht seine Frankfurter. Er sprach von seinen ehemaligen Stuttgartern und war damit der dritte Trainer in dieser Saison, der den Stuttgartern eine große Qualität bescheinigte. "Das kann normalerweise nicht sein, dass die da unten stehen." Zorniger widersprach. "Das kann schon sein. Es war einfach extrem scheiße heute."

In seinen guten Phasen reißt der ausschwärmende VfB das Stuttgarter Publikum von den Sitzen und ruft Erinnerungen an all das Wilde der besten Vergangenheit hervor. Das gelang ihm auch diesmal. So bestimmte der VfB auch gegen Frankfurt das Spiel in großen Teilen, ließ zwischen der 25. und 35. Minute die übermäßig talentierte Offensive um Daniel Didavi und Filip Kostic von der Leine und die Eintracht von der Halbzeitpause träumen. Dass genau in diesen zehn Minuten der - allerdings wegen Abseits irreguläre - 1:1-Ausgleich von Didavi fiel (30.), war zwangsläufig.

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Ebenso zwangsläufig hätte Martin Harnik in den ersten 45 Minuten jedoch mindestens zwei Treffer beisteuern müssen. Doch der Österreicher vermochte all das Unglück eines Fußballspiels in seinen Füßen zu vereinen, zur Krönung legte er in der 34. Minute den Ball aus zwei Metern über das Tor. Zorniger stand zu diesem Zeitpunkt rund 70 Meter weg vom Tatort. Er hatte immer noch die Trainingsklamotten an. Eingreifen konnte er jedoch nicht mehr. Was er tun konnte, tat er: Er ließ Harnik nach der Pause in der Kabine.

Den Frankfurtern reichen ein paar lange Bälle

Wenn der VfB seine Chancen nicht nutzt, wird das Spektakel noch wesentlich teurer als es sowieso ist. In Rückstand bezahlen sie für das neue System mit noch höher stehenden Außenverteidigern, einem wild pressenden Mittelfeld, aber allein gelassenen Innenverteidigern. Und weil Zorniger der Gang auf den Rasen während des Spiels nicht gestattet ist, kann er seine Mannschaft, so nötig sie es immer noch hat, nicht wie gewollt hin und herschieben. Infolge dessen reichte den Frankfurtern zweimal ein langer Ball auf den linken Flügel, gefolgt von einer gut platzierten Hereingabe, um in der ersten Halbzeit zwei Tore zu erzielen. In der elften Minute blieb VfB-Verteidiger Adam Hlousek nur der verzweifelte Befreiungsversuch ins Tor, kurz vor der Pause legte Eintracht-Stürmer Luc Castaignos einen Querpass von Seferovic über die Linie (42.).

Auch nach der Pause waren es die Frankfurter, die Räume und Chancen zu nutzen wussten. Erst verursachte Stuttgarts Torhüter Przemyslaw Tyton den zweiten Elfmeter (69.) seiner jungen Bundesliga-Karriere und sah die rote Karte (der junge Odisseas Vlachodimos kam ins Tor; Seferovic verwandelte den Strafstoß zum 3:1), dann traf Castaignos kurz vor Schluss zum Endstand (87.).

Die Frankfurter hatten das Stuttgarter Spiel mit explizitem Konterverstand ausgebremst und sich mit vier Punkten ins Mittelfeld der Tabelle verabschiedet. Doch am Ende des Tages bleiben vor allem die Wellen, die der Stuttgarter Fehlstart über den württembergischen Stadtkessel brechen lässt. Drei Niederlagen zum Auftakt, die die beeindruckend große Euphorie des 14. der Vorsaison wohl endgültig aus der Landeshauptstadt geschwemmt haben. Zorniger wird nun noch näher an seine Mannschaft rücken, er wird ihr sein System noch inniger erklären, nach außen wird er es laut verteidigen. "Wir müssen sicherlich einiges bedenken. In den nächsten Tagen werden wir mit der Mannschaft sprechen und schauen, was funktioniert und was nicht." Grundsätzlich will er jedoch nichts ändern: "Von der Spielweise werden wir nicht weggehen. Es war einfach auch zu viel Gutes dabei." Zu Punkten hat es wieder nicht gereicht. Und auch deswegen wird Zorniger vor dem nächsten Spiel wieder sehr lange auf dem Rasen Anweisungen geben.

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