Rückversicherung:Neuanfang nach dem Sturm

2005 verwüstete der Hurrikan Katrina New Orleans und richtete den größten Schaden in der US-Geschichte an. Die Branche der Versicherer hat seither gelernt.

Von Herbert Fromme

An diesem Samstag jährt sich die Katastrophe zum zehnten Mal: Der verheerende Hurrikan Katrina überflutete große Teile von New Orleans und machte Hunderttausende Einwohner obdachlos. 1322 Menschen starben.

Zum Jahrestag besucht Präsident Barack Obama die Region und lobt Widerstandsgeist und Aufbauleistung. Doch vielen Profis in der Versicherungswirtschaft ist nicht nach Feiern zumute. Sie beäugen misstrauisch den Tropensturm Erika, der über die Karibik zieht und womöglich am Montag auf Florida trifft. "Bislang ist Erika nur ein Tropensturm, kein Hurrikan", sagt Peter Höppe, Chef der Geoforschung beim weltgrößten Rückversicherer Munich Re. "Katrina war lange ein sehr starker Hurrikan, aber zum Zeitpunkt der Anlandung schwächer." Dennoch richtete er Riesenschäden an. "Über dem Wasser hatte Katrina so viel Kraft, dass eine riesige Flutwelle erzeugt wurde." Sie zerstörte die damals schlecht geschützte Metropole New Orleans, die teils unter dem Meeresspiegel liegt. Der Sturm kostete die US-Volkswirtschaft 125 Milliarden Dollar, 62 Milliarden Dollar davon waren versichert - der höchste Versicherungsschaden, der je die USA traf. Die Munich Re musste davon 1,6 Milliarden Euro zahlen.

Für Höppe gehört die Analyse solch außergewöhnlicher Ereignisse zum Alltag. Sein Arbeitgeber Munich Re versichert andere Versicherer, ist ein Großhändler des Risikoschutzes. Deshalb beschäftigt er sich intensiv mit dem Klimawandel und den Folgen, mit Erdbeben, Dürre, Schneestürmen und anderen Katastrophen.

Das Geschäft der großen Versicherer ist ohne Modelle nicht denkbar. Sie zeigen, welche Schäden für einen Versicherer bei welchen Windstärken oder Erschütterungen durch Erdbeben entstehen können. Auf Basis dieser Modelle kalkulieren die Anbieter ihre Preise für Versicherungsschutz. Doch bei Katrina erwies sich: Fast alle Modelle versagten. Kaum eines hatte die Sturmflut, die New Orleans traf, als Möglichkeit eingerechnet. Die Munich Re war in der peinlichen Situation, die Schadenschätzung mehrfach erhöhen zu müssen, sehr zum Ärger von Anlegern und Analysten. Doch Höppe verteidigt seine Zunft. "Die Modelle bezogen sich auf die Sturmversicherung, nicht auf die Flut", sagt er. "Tatsächlich waren viele Schäden aus der Sturmflut nicht versichert." Aber in den USA würden solche Schäden eher kundenfreundlich reguliert.

PICTURES OF THE YEAR 2005

Brand in einer überfluteten Straße von New Orleans Anfang September 2005 - wenige Tage nach dem Hurrikan Katrina.

(Foto: Shannon Stapleton/Reuters)

Mittlerweile haben die Versicherer gelernt und Sturmflutrisiken einkalkuliert. "Es gab noch weitere Mängel", sagt Höppe. "Die Modelle bildeten nicht ab, dass nach einem Schadenereignis wie Katrina die Kosten für Baumaterial und für die Arbeiten enorm in die Höhe schießen."

Höppe glaubt, dass Versicherer eine wichtige Rolle bei der Schadenverhütung spielen. "Wenn wir risikoadäquate Preise verlangen können, kriegen die Bewohner einen Eindruck davon, wie gefährdet eine bestimmte Lage wirklich ist." Wer seine Villa unbedingt in der ersten Reihe am Wasser bauen wolle, müsse dafür dann auch mehrere 1000 Dollar für die Versicherung pro Jahr zahlen.

Doch diese Mechanik funktioniert nicht ganz so simpel - denn wegen des weltweiten Überangebots an Versicherungskapazität sind die Preise im Keller, auch in gefährdeten US-Regionen. Deshalb werden dort weiter Luxushotels und Privathäuser in gefährdeten Gebieten gebaut - und finden bezahlbaren Versicherungsschutz.

In New Orleans und Umgebung ist das allerdings anders. Viele Unternehmen, die Büros und Fabriken in der Nähe der Küste gebaut hatten, sind nach Katrina nicht wieder zurückgekehrt. Die Preise für Häuser in Wassernähe liegen in vielen Orten immer noch um 40 Prozent unter dem, was vor der Katastrophe gezahlt wurde.

Katastrophen und ihre Kosten

Hurrikan "Katrina" war nicht der Worst Case. Werden Houston oder Miami getroffen, kann es teurer werden.

New Orleans hat die Lektion durch Katrina gelernt. "Es ist enorm viel passiert, die Deiche wurden verstärkt, viele Neubauten stehen auf Stelzen, und in bestimmten Gebieten, die leicht überflutet werden, wurde auf den Neubau verzichtet", sagt Höppe. "Wir in der Versicherungswirtschaft denken auch anders", berichtet er. "Früher haben wir unsere Schadenerwartung nach dem Mittelwert der vergangenen 30 bis 40 Jahre ausgerichtet." Heute beziehen die Wetterforscher der großen Rückversicherer die modernsten Erkenntnisse der Klimaforschung ein. Trotzdem ist ein weiterer Großschaden in ähnlicher Dimension nicht ausgeschlossen. New Orleans war in der Kalkulation der Versicherer nicht der größte anzunehmende Schaden, der Worst Case. Der Sturm Sandy, der 2012 die Ostküste traf und 30 Milliarden Dollar kostete, hat die Risiken für New York und andere Metropolen gezeigt. "Wenn ein Hurrikan auf Houston oder Miami trifft, kann das noch viel teurer als Katrina werden."

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