Fahrplanauskunft:Nahverkehrs-Apps im Test

Bauarbeiten, Streiks, Störungen: S-Bahn-Pendler haben es derzeit nicht leicht. Noch komplizierter wird es dadurch, dass es mehrere Apps und Internetangebote gibt - die nicht alle richtig informieren.

Von Stefan Simon

Den S-Bahn-Pendlern im Großraum München wird seit Monaten so ziemlich alles zugemutet, was man sich als Pendler vorstellen kann: Entweder wird wegen Bauarbeiten an den Wochenenden die komplette Stammstrecke lahmgelegt, oder es wird eine der Linien ins Umland gesperrt, das dann aber gleich für bis zu sechs Wochen. Entweder streiken Lokführer und es fährt aus diesem Grund kein Zug, oder Streikbrecher bauen Überstunden ab und es fährt aus einem anderen Grund kein Zug. Entweder muss man in die Arbeit und kommt nicht hin, oder man hat frei und sitzt wieder fest.

Wartungen und Instandsetzungen müssen aber sein, und so ein Streik ist höhere Gewalt. Und der Kunde? Ärgert sich und schimpft und droht, fährt am Ende aber weiter mit der Bahn. Umsteigen aufs Auto ist keine Lösung, die Ring-, Ein- und Ausfallstraßen sind auch so verstopft genug.

App und Website - so aktuell wie das gedruckte Fahrplanbuch

Was die S-Bahn angeht, haben die Verantwortlichen in diesem Sommer aber offenbar kapituliert vor der Menge der Verspätungen und Zugausfälle. Verlässliche und vollständige Informationen darüber, welche S-Bahn an welchem Tag zu welcher Stunde fährt oder nicht, sind manchmal schwer zu bekommen. Wie man erfährt, dass morgens aus dem Zehn-Minuten-Takt der Linie S 3 ein Zwanzig-Minuten-Takt wird? Indem man sich auf den Bahnsteig stellt, dort teilen elektronische Anzeigen und automatisierte Durchsagen mit: "Zug fällt aus" - oder eben nicht.

Versuche, das vor Fahrtantritt zu klären, scheitern. Der "Streckenagent", der sonst zuverlässig via Mail und Twitter über Störungen informiert, weist nicht darauf hin, dass morgens jeder zweite Zug ausfällt. Die Fahrplanauskunft auf der Homepage sowie in der Smartphone-App des Münchner Verkehrsverbunds (MVV) zeigt stoisch einen Zehn-Minuten-Takt an, wo schon seit Tagen keiner mehr ist. Website und App der Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG): ebenfalls so aktuell wie das gedruckte Fahrplanbuch, das man sich einst einmal im Jahr zum Fahrplanwechsel kaufte. Nur eine Ausnahme gibt es, die Deutsche Bahn (DB) informiert im Internet und in ihrer App korrekt über den Zwanzig-Minuten-Takt.

Von anderen Linien gibt es ähnliche Berichte. Von Fahrgästen, die zur S-Bahn sprinten, weil ihnen eine App anzeigt, dass gleich ein Zug fährt. Von anderen, die darüber lachen, weil sie eine andere App nutzen, die es besser weiß.

Bei den Handy-Tickets geht es um Millionen

Wie kann das sein? Der MVV als Verkehrsverbund und die MVG als Betrieb der Stadtwerke haben keinen direkten Zugriff auf Informationen über Verspätungen und Zugausfälle bei der S-Bahn, die von der Deutschen Bahn betrieben wird. Sie nutzen auf ihren Internetseiten und in ihren Apps eine andere Software, die Elektronische Fahrplanauskunft EFA. "Wenn die Daten der S-Bahn dort korrekt hinterlegt sind, werden sie auch in unserer App richtig angezeigt", heißt es bei MVV und MVG übereinstimmend. Tja, wenn.

Die Deutsche Bahn, von der die Daten stammen, ist da naturgemäß im Vorteil. Was aber nicht heißt, dass sie Daten zurückhält. Ein Sprecher beteuert, es liege sehr wohl im Interesse der Bahn, wenn sich die Fahrgäste "über alle Systeme hinweg" einheitlich informieren könnten. Doch weshalb gibt es überhaupt so viele Informationssysteme? Warum gibt es für den öffentlichen Nahverkehr in Berlin und für den in Hamburg jeweils genau eine App - und warum in München drei?

Immer mehr Kunden laden sich Fahrscheine auf ihre Smartphones. Da geht es um Millionen: um zweieinhalb Millionen Tickets und mehr als 13 Millionen Euro - das ist der Umsatz, den alleine MVV und Stadtwerke bisher damit gemacht haben; die Deutsche Bahn verweigert genaue Angaben darüber. Alle Einnahmen fließen in einen Topf, das haben die Unternehmen geregelt, und am Ende wird das Geld nach einem Schlüssel wieder verteilt. Doch: Bis dahin arbeitet es für den, der es eingenommen hat.

Fahrplanauskunft: Schon auf 2,5 Millionen Smartphones: die Münchner Nahverkehrs-Apps.

Schon auf 2,5 Millionen Smartphones: die Münchner Nahverkehrs-Apps.

(Foto: Robert Haas)

"Sinnlose und eifersüchtige Eigenbrötelei"

Vielleicht erklärt das ja die für die Stadtwerke bis heute "überraschende Entscheidung der MVV GmbH, im Auftrag eines privaten Busunternehmens 2013 eine eigene Handy-Ticket-Anwendung in den Markt zu bringen und damit DB und MVG zu konkurrenzieren". Das "muss von dort erklärt werden", lautet die Antwort auf die Frage nach dem Sinn konkurrierender Apps. Der MVV reagiert schmallippig: "Verkehrsunternehmen steht es frei, eigene Apps zu programmieren", erklärt eine Sprecherin. Die Bahn winkt ab: "Die Verbundpartner sind eigenständige Unternehmen, die eigenverantwortlich gegenüber ihren Kunden agieren möchten."

Die scheinen darauf aber gar nicht so erpicht zu sein. "Wenn's ums Geld geht, sind natürlich alle gleich da", lästert Andreas Barth vom Fahrgastverband Pro Bahn. "Eine gut funktionierende App" würde reichen. Die Aktion Münchner Fahrgäste ist richtig empört über die "sinnlose und eifersüchtige Eigenbrötelei der verschiedenen Gesellschaften, die alle im Besitz der öffentlichen Hand sind", wie Sprecher Andreas Nagel sagt. "Leider hat die Politik diesem Treiben bisher keinen Einhalt geboten." Drei verschiedene Apps zu gestalten, koste "viel Geld", die Unterschiede seien Kunden schwer zu vermitteln. "Der Tarifwirrwarr ist ja eh schon groß genug."

Jede App probiert auf ihre Weise, sich auf dem Markt durchzusetzen. Eine Live-Auskunft über Rolltreppen hie, eine Anbindung an Auto- und Fahrradverleihe da. Alleinstellungsmerkmal heißt das dann im Deutsch der Marketingstrategen. Nur die Kunden stehen weiter gemeinsam am Bahnsteig und wundern sich.

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