Kohlschreiber bei den US Open:"Dann bekomme ich eben eine auf die Mütze"

US Open Tennis

Nun geht es gegen Roger Federer: Philipp Kohlschreiber

(Foto: dpa)
  • Alle noch verbliebenen deutschen Teilnehmer erreichen bei den US Open die dritte Runde.
  • Philipp Kohlschreiber bekommt eine ganz besondere Partie, geht damit aber sehr gelassen um. Er trifft auf Roger Federer.
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Von Jürgen Schmieder, New York

Es war ein wunderbares Potpourri an Emotionen, das Andrea Petkovic innerhalb von 15 Minuten präsentierte: Zunächst einmal prügelte sie ihren Schläger wütend zu Boden, dann ballte sie freudig die Faust, kurz darauf malträtierte sie wieder ihr Spielgerät. Sie verzweifelte, feuerte sich selbst an, brüllte freudig wie erbost, während einer Spielpause erklärte sie ihren Vater per wilder Gestik für bescheuert. Es lag natürlich am jeweiligen Zwischenstand, der im zweiten Durchgang 1:4, 3:5 und 6:5 lautete. Nach dem 6:3, 7:6 (4) gegen Jelena Wesnina (Russland) deutete sie gar den nach ihr benannten Petko-Dance an.

"Ich glaube, das war das erste Mal in meiner Karriere, dass es mir geholfen hat, meinen Schläger zu zerhacken", sagte Petkovic, die sich deswegen eine Verwarnung eingehandelt hatte: "Normalerweise geht es dann immer bergab, heute allerdings war es hilfreich." Um dieses Spektrum der Emotionen zu verstehen, sollte man wissen, dass eine Tennispartie auf ganz unterschiedliche Weisen gewonnen werden kann: spielerisch (Federer), läuferisch (Kohlschreiber), prügelnd (Serena Williams).

Es ist aber auch möglich, sich so zu verhalten, wie es Petkovic an diesem Donnerstagmittag im ersten Satz gegen Wesnina getan hat: Sie spielte geduldig die Bälle zurück und lud ihre Kontrahentin damit zu leichten Fehlern ein. Das funktionierte im ersten Satz gar wunderbar, weil Wesnina den Ball 17 Mal ohne Bedrängnis ins Netz oder Aus spielte. Man kann der Gegnerin ja auch einfach Mal die Gelegenheit geben, Fehler zu machen.

"Die Gefahr ist nur, dass man sich daran gewöhnt, dass die andere die Fehler macht und man selbst zu passiv wird", sagte Petkovic später. Genau das passierte im zweiten Durchgang: Die Russin verzichtete plötzlich auf Fehler, Petkovic dagegen streute groteske Fehler ein. Es folgten bei drückender Hitze ein paar Wutausbrüche, ein zertrümmerter Schläger und ein schönes Comeback.

Alle neun Partien gegen Federer verloren

Petkovic hat gelernt, Emotionen während einer Partie nicht nur zuzulassen, sondern für ihre Zwecke zu kanalisieren - fast so wie John McEnroe in seinen besten Zeiten. Auslöser dafür war Boris Becker, der Andrea Petkovic während der French Open beobachtet und dann seine Hilfe angeboten hatte. "Er ist ein Schatten im Hintergrund, den ich immer anhauen kann, wenn ich Hilfe brauche", sagte sie über Becker, der den väterlichen Freund gibt. "Es waren drei, vier Sachen, die mir die Augen geöffnet und eine neue Perspektive gegeben haben", fügte Petkovic hinzu. "Vielleicht hatten andere mir schon mal das Gleiche gesagt, aber es ist eben etwas anderes, wenn es Boris zu dir sagt." Es hilft. Petkovic kam zurück und behielt im Tie-Break die Nerven. Sie trifft am Samstag auf Johanna Konta trifft, die dreieinhalb Stunden ackerte, um die Wimbledon-Finalistin Garbiñe Muguruza zu bezwingen.

Die dritte Runde erreichten auch die vier anderen noch verbliebenen deutschen Teilnehmer. Angelique Kerber präsentierte sich wie schon in der ersten Runde souverän und gewann 6:2, 6:2 gegen Karin Knapp. "Von Druck bin ich weitgehend befreit", sagte Kerber. Sie trifft nun auf Victoria Azarenka, die sie noch nie besiegen konnte: "Ich darf nicht darüber nachdenken, ob ich schon mal gewonnen habe oder nicht. Ich muss rausgehen und gar nicht daran denken, gegen wen ich da spiele." Mona Barthel (2:6, 6:2, 6:4 gegen Olga Gowortsowa) spielt am Samstag gegen Varvara Leptschenko, Sabine Lisicki (6:4, 6:0 gegen Camilla Giorgi) gegen Barbora Strycova.

Philipp Kohlschreiber darf sich nach dem überzeugenden 7:6, 6:2, 6:2 gegen Lukas Rosol auf eine besondere Partie freuen - er trifft auf den Maestro höchstselbst, auf Roger Federer. Beim Turnier in Halle hatte Kohlschreiber den Schweizer an den Rand einer Niederlage gebracht und erst im Tie-Break des entscheidenden Satzes verloren. "Das hat drei Tage lang weh getan", sagt Kohlschreiber, der bislang alle neun Partien gegen Federer verloren hat: "Es gibt keinen anderen Spieler, den ich nicht geschlagen habe. Jetzt bekomme ich noch eine Chance - wer weiß, wie lange wir beide noch spielen werden?"

Die Partie wird wahrscheinlich im Arthur-Ashe-Stadion vor mehr als 22 000 Menschen ausgetragen werden. Kohlschreiber geht mit dieser Kulisse gelassen um, in Anspielung auf seine früheren Niederlagen gegen Federer sagt er: "Dann bekomme ich eben vor vielen Menschen eine auf die Mütze."

Ein Scherz, natürlich, denn er sagt auch ganz selbstbewusst: "Ich will diese Partie gewinnen."

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