Dänemark:Die Grenze ist erreicht

Danish police guard a train carrying migrants, mainly from Syria and Iraq, at Rodby train station, south of Denmark

Die dänische Polizei stoppt einen Zug in Rødby und durchsucht ihn nach Flüchtlingen.

(Foto: Jens Norgaard Larsen/Reuters)

Das Land verfolgt eine restriktive Asylpolitik. Mit dem Stopp des Zug- und Fährverkehrs will die bürgerliche Regierung Flüchtlinge abschrecken.

Von Thomas Kirchner, Brüssel

Der Zug der Flüchtlinge durch Europa hat nun auch im Norden zu schweren zwischenstaatlichen Spannungen geführt. Der Weg der Migranten ist von den Behörden kaum noch unter Kontrolle zu halten. Jetzt bekommt das Dänemark zu spüren, wo in den vergangenen Tagen mehr als 1200 Menschen aus Deutschland ankamen. Ihr Ziel: Schweden, das für viele Migranten noch attraktiver als Deutschland ist. Doch so einfach durchwinken wollen die Dänen die Menschen nicht, da es keine entsprechende Vereinbarung mit dem Nachbarland gibt.

In ihrer Not wies die Regierung in Kopenhagen die dänische Bahn deshalb am Mittwoch an, den Zugverkehr zwischen Deutschland und Dänemark einzustellen. Zwischen Flensburg und Padborg in Südjütland rollten auf unbestimmte Zeit keine Züge mehr, bestätigte ein Sprecher der Bahngesellschaft DSB. Auch auf den Fähren, die zwischen Puttgarden auf Fehmarn und Rødby auf der dänischen Insel Lolland verkehren, sollten keine Züge transportiert werden. Am Mittwoch hatte die Polizei eine Fähre aus Fehmarn mit etwa hundert Flüchtlingen an Bord im Hafen von Rødby gestoppt. Weitere Fähren mussten nach Polizeiangaben im Hafen warten. Seit Dienstagnacht waren etwa 330 Flüchtlinge auf Lolland angekommen.

Das Thema Ausländerpolitik steht in Dänemark im Zentrum der innenpolitischen Auseinandersetzung. Die Parlamentswahl am 18. Juni wurde nach übereinstimmender Meinung der Beobachter von diesem Thema entschieden. Der bislang regierende linke Block unter Führung der Sozialdemokratin Helle Thorning-Schmidt büßte seine Mehrheit ein und musste die Regier-ung an die rechts von der Mitte angesiedelte Venstre-Partei abgeben, die sich von der rechts-nationalen Dänischen Volkspartei tolerieren lässt. Die Volkspartei hatte mit einem klaren Kurs gegen Ausländer die zweit meisten Stimmen erhalten.

Zwischen Hamburg und Kopenhagen fahren unter der Woche täglich in beide Richtungen je fünf Fernzüge. Auf der zweiten Verbindung Flensburg-Padborg sind täglich mindestens neun Züge unterwegs. Die Polizei könne ihnen die Weiterfahrt nach Schweden nicht erlauben, sagte eine Sprecherin, weil das gegen europäische Regeln verstoße. Wer sich nicht in Dänemark als Asylbewerber registrieren lassen will, muss damit rechnen, nach Deutschland zurückgeschickt zu werden.

Mehrere Hundert Menschen waren seit Dienstag mit dem Zug nach Padborg in Südjütland gelangt und in einer Schule in der Stadt einquartiert worden. Von dort aus versuchten rund 300 von ihnen, ihre Reise zu Fuß über die Autobahn fortzusetzen. Die Polizei musste die E45 bei Padborg vorübergehend in beide Richtungen sperren. Unter den Flüchtlingen waren viele Frauen, Kinder und ältere Menschen. Einige von ihnen hätten bereits darum gebeten, zurückgefahren zu werden.

Die Polizei in Schleswig-Holstein bietet Flüchtlingen Quartier, aber deren Ziel bleibt Schweden

Am Mittwoch stoppte die schleswig-holsteinische Polizei in Puttgarden erneut einen ICE mit 80 Flüchtlingen mit Ziel Kopenhagen. Ihnen wurde eine Unterkunft in schleswig-holsteinischen Erstaufnahmeeinrichtungen angeboten, wie die Polizei mitteilte. Diese Offerte nahmen die Flüchtlinge an, etwa 100 Flüchtlinge saßen wegen des Bahnstopps in Flensburg fest. Am Dienstag hatte die deutsche Polizei trotz fehlender Papiere 170 Flüchtlinge mit dem Zug nach Dänemark weiterreisen lassen. Sie hatten sich geweigert, in eine deutsche Erstaufnahmeeinrichtung zu gehen.

Im Gegensatz zu Schweden betreibt Dänemark eine restriktive Ausländer- und Asylpolitik. In dieser Woche trat eine Reform in Kraft, wonach jeder erwachsene Flüchtling nur noch 800 Euro bekommt, halb so viel wie bisher. Das Geld muss versteuert werden. Hintergrund ist der erklärte Wunsch der neuen bürgerlichen Regierung von Ministerpräsident Lars Løkke Rasmussen, Dänemark weniger attraktiv für Flüchtlinge zu machen. In der innerdänischen Debatte wird davor gewarnt, dass das Land sein Sozialsystem aufgeben müsste, wenn es mehr Flüchtlinge aufnehmen sollte. Dänemark macht nicht mit bei der gemeinsamen europäischen Flüchtlingspolitik, nimmt aber dennoch in Relation zur Einwohnerzahl die fünfthöchste Zahl von Flüchtlingen in der EU auf.

Im Dezember soll in Dänemark über die künftige Zusammenarbeit mit der EU abgestimmt werden. Allerdings geht es bei dem Referendum um den Beitritt des Landes zu Rechtsbereichen, die bisher national geregelt wurde: Verteidigung und Teile der Justiz-Zusammenarbeit. Die konservative Regierung wirbt mit dem Argument, dass die EU einen Zugewinn von Sicherheit garantieren würde. Nach der Flüchtlingsdebatte der letzten Wochen wird erwartet, dass die Mehrheit der Dänen die engere Anbindung ablehnen könnten. Das würde ein starkes Signal an Großbritannien senden, das mutmaßlich mehrere Monate später über seinen Verbleib in der EU abstimmt.

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