Skurrile Bus-Stationen:Keine Angst, sie beißt nicht

Hier soll ein Bus halten? Allerdings. Fotograf Christopher Herwig stöberte in Ex-Sowjetrepubliken die unwahrscheinlichsten Stationen auf.

Von Irene Helmes

11 Bilder

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Quelle: Soviet Bus Stops by Christopher Herwig, published by FUEL

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Nein, das ist keine Kunstinstallation. Auch kein Ufo. Sondern eine Bushaltestelle. Solche Entdeckungen macht, wer binnen zwölf Jahren beinahe 30 000 Kilometer zurücklegt in Ländern wie Kirgisistan, Turkmenistan oder Moldau. Wie der kanadische Fotograf Christopher Herwig. Oder, wer dessen Bilder bewundert.

Im Bild: Pizunda, Abchasien (abtrünnige Provinz Georgiens)

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Quelle: Soviet Bus Stops by Christopher Herwig, published by FUEL

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"Ich finde es toll, wie sich die Sitzbänke unter den Flügeln verbergen - so sollte das Ganze wohl irgendwie funktional werden", sagt Herwig über dieses Exemplar.

Das ist aber eher eine Ausnahme. Denn eigentlich war den Bushaltestellen-Architekten der Sowjetzeit Funktionalität herzlich egal, wie sich bei Herwigs Recherchen zeigte. Der Architekt Zurab Tsereteli etwa sagte in einem Interview, er könne nicht beantworten, warum seine Entwürfe zum Beispiel kein Dach hätten. Das sei das Problem der anderen - "ich als Künstler mache alles künstlerisch".

Im Bild: Karakol, in der Nähe des Sees Yssykköl, Kirgisistan

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Quelle: Soviet Bus Stops by Christopher Herwig, published by FUEL

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Diese Einstellung erklärt dann so einiges. Dass es diese Gebäude gibt, merkte Herwig, als er 2002 mit dem Rad von London nach St. Petersburg fuhr. Jede Stunde ein gutes Foto, das war damals seine Wette mit sich selbst. Und bei der Suche nach Motiven fielen ihm immer mehr bemerkenswerte Haltestellen am Wegesrand auf. Längst nicht alle von ihnen waren mehr in Gebrauch.

Im Bild: Gagra, Abchasien (abtrünnige Provinz Georgiens)

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Quelle: Christopher Herwig

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Weitere Reisen in der Region folgten, bis heute. Was Herwig zu sehen bekam, war immer wieder überraschend. Ob nun wie hier die Grenzen des Betonbaus ausgereizt wurden, um damit zu zaubern, wie Herwig beschreibt, oder ...

Im Bild: Etschmiadsin (auch Wagharschapat), Armenien

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Quelle: Soviet Bus Stops by Christopher Herwig, published by FUEL

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... sich wie hier nahe der Grenze zu China jemand in einer völlig verlassenen Gegend die Mühe gemacht hatte, eine alte Station frisch anzustreichen - die Motive gingen nicht aus.

Im Bild: Scharyn, Kasachstan

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Quelle: Soviet Bus Stops by Christopher Herwig, published by FUEL

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Viele der Stationen wirken besonders durch ihre Lage unwirklich. Dieses Relikt, so erinnert sich Herwig, sei das isolierteste gewesen, das er je gesehen habe. Von anderen Häusern in der kasachischen Steppe war weit und breit keine Spur.

Im Bild: Südlich von Aral (auch Aralsk genannt), Kasachstan

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Quelle: Christopher Herwig

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Als er die Bushaltestellen der Sowjetzeit als Motiv entdeckt hatte, sei das ein neuer Grund für ihn geworden zu reisen, erinnert sich Herwig, "eine Art, mich als Entdecker, gar als Spion zu fühlen".

Bequem sollte man sich die Trips nicht vorstellen. Dieses Häuschen in Estland etwa entdeckte Herwig zunächst online und lokalisierte es über Google Maps. Als er mit dem Mietwagen ankam, war es mitten in der Nacht. Der Fotograf schlief im Auto, bis die Sonne aufging, um sein Bild zu machen. Hier war das kurz nach Weihnachten 2013, im tiefsten Winter.

Im Bild: Kootsi, Estland

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Quelle: Christopher Herwig

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Immer wieder habe er es genossen, Dinge zu finden, die zunächst völlig deplatziert wirkten, ihm dann aber, bei genauerer Betrachtung der Umgebung, "absolut perfekt" erschienen.

Im Bild: Pizunda, Abchasien (abtrünnige Provinz Georgiens)

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Quelle: Christopher Herwig

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Auf einige seiner Lieblingsfunde stieß Herwig in einer einsamen Ebene Armeniens, wo wie aus dem Nichts gleich mehrere Stationen auftauchten. Jede von ihnen ...

Im Bild: Saratak, Armenien

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Quelle: Christopher Herwig

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... "völlig einzigartig", wie der Fotograf auch nach fast 30 000 Kilometern Recherchestrecke, zurückgelegt per Auto, Fahrrad, Bus und Taxi, findet.

Er reise eben gerne an Orte, an die er kaum Erwartungen knüpfe, sagt Herwig. "Nach Paris oder Rom zu fahren ist toll, aber ich weiß doch schon ungefähr, was mich erwartet." Mit seinen Bildern dagegen will er dazu ermuntern, zu reisen und die Augen zu öffnen "für all die seltsamen und wunderbaren unterschätzten Schätze da draußen".

Im Bild: Saratak, Armenien

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Quelle: grey; Christopher Herwig

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Eine weitere von Herwigs Lieblingshaltestellen ziert nun das Cover der Neuauflage seines Bildbandes. "Immer wenn ich sie sehe, habe ich das Gefühl, sie wird mich gleich beißen", sagt er.

Derzeit lebt Herwig in Amman, Jordanien, und seinen Sinn für sehr spezielle Projekte erhält er sich auch über die "Soviet Bus Stops" hinaus. Falls er es neben seiner Arbeit für NGOs in Afrika und dem Nahen Osten schafft, will er eine alte Idee wieder aufgreifen: die verregnetsten Orte der Welt zu fotografieren. "Aber ich habe gemerkt, dass das mehr Zeit und Glück verlangt, als ich momentan habe." Wir geben die Hoffnung nicht auf.

Christopher Herwig: "Soviet Bus Stops", Fuel Publishing, 192 Seiten, erscheint im September 2015 und ist online bestellbar.

Im Bild: Taras, Kasachstan

© SZ.de/khil/lala
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