Mitten in Bayern:Mensch, Söllner

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Der aufsässiger Sänger hat gegen die Bürger von Wallgau gestänkert. Jetzt darf er dort nicht mehr auftreten

Von Hans Kratzer

Am 12. Oktober sollte der Liedermacher Hans Söllner in der Gemeinde Wallgau (Kreis Garmisch-Partenkirchen) ein Gastspiel geben. Das liebreizende Dorf und der motzende Rebell, es wäre eine prickelnde Begegnung geworden. Leider wurde der Auftritt abgesagt. Die Wallgauer sind stinksauer auf Söllner. Das Zerwürfnis wurzelt im G-7-Gipfel, der ganz in der Nähe von Wallgau stattgefunden hat. Als US-Präsident Obama und Kanzlerin Merkel im Juni ins Werdenfelser Land einschwebten, geriet der arme Söllner aus dem seelischen Gleichgewicht. Auf seiner Homepage überkam ihn ein Wutanfall auf den Gipfel, aber noch mehr wurmten ihn die Einheimischen, die er als "Weißwurschtfressende, juhuchzende, plattelnde Bauerntölpel" würdigte, die ihre Region verschandelten und sich vorführen ließen: "Schama dad i mi!" rief ihnen Söllner zu, womit er aber bei den stolzen Wallgauern sogleich Zorneswallungen weckte. Einer, der sie als Nazis und Deppen beschimpfe und hier auch noch einen Reibach machen wolle, der solle besser daheim bleiben, tat Bürgermeister Hans-Jörg Zahler (CSU) kund.

An ihrer aufrechten Haltung, ihrem Heimatstolz - auch Olympiasiegerin Magdalena Neuner ist eine Wallgauerin - und an ihrer Weltoffenheit lassen die Werdenfelser nicht kratzen. Immerhin hatten sie schon vor 1300 Jahren Zivilcourage bewiesen, indem sie römischen Siedlern Schutz und Zuflucht vor den naturwilden Bajuwaren gewährten und ihnen halfen, ihre Traditionen zu bewahren. Wallgau offenbarte Tugenden, die heutzutage himmelhoch gelobt werden.

Aber die Welt ist kompliziert geworden, auch Söllner pocht auf seine Heimatliebe. "Ich bin ein wirklicher Fan von Tradition, Tracht und Brauchtum", schreibt er auf seiner Homepage. Auch habe er nicht alle Wallgauer beschimpft, "nur die Betreiber, Befürworter und Verdiener am Gipfel." Nur jene, denen die Dollarzeichen im Auge standen, hätten die Heimat verraten, ruderte Söllner zurück. Auf seiner Internetseite brodelt es, die Söllner-Gemeinde steht fast geschlossen hinter ihrem Idol und piesackt das kleine Wallgau, das sich so sehr bevormunden und Söllner nicht auftreten lasse, mit der üblichen Rotzsprache der Netzgemeinde. Magdalena Neuner hilf!

© SZ vom 11.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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